Um fünf Uhr morgens tönte Stans Wecker und eine halbe Stunde später der von Rob. Viel zu früh, um wirklich munter zu sein. Da es noch recht ruhig an Bord zuging, genehmigte ich mir erst einmal eine Dusche und schlappte dann mit ’nem Becher Kaffee in der Hand an Deck. Dort kam so langsam Leben in den Laden, die Leinen wurden los gemacht und verstaut. Ich versuchte mich bei dem Manöver etwas nützlich zu machen. Nur war das von wenig Erfolg gekrönt. Nachdem ich mich wegen des einsetzenden Regens angepellt hatte, war alles getan. Auch gut, konnte ich doch so wieder raus aus der Regenkluft und mich dem Frühstück zuwenden.
Bildserie „Auf der Brücke“ – © Knut Hildebrandt
Fünf Meter hoher Wellengang – Dünung und Wellen zusammen genommen – waren für den Tag unseres Auslaufens angesagt. Das ist höher als die Bordwand. Nun heißt dies aber nicht, daß wir ständig von den Wellen überrollt werden. Schließlich schwimmt so ein Schiff ja oben auf dem Wasser. Zumindest ist das die Idee, wenn es sich nicht um ein U-Boot handelt.
Hallaluja, das ging dann aber ab wie Schmidts Katze. Kaum hatten wir die Mündung des Tejo hinter uns gelassen, begann das Geschaukel. Und der ganz große Spaß kündigte sich während des Frühstücks an. Mit lautem Getöse flogen Töpfe und Pfannen durch die Kombüse, sämtliche Schubladen sprangen auf und ihr Inhalt verteilte sich gleichmaßig über dem Küchenboden. Der Hüpfer hatte auch einen Großteil der Teller und Tassen von den Tischen gefegt, was dem Morgenmahl ein jähes Ende bereitete. Allerdings war mir eh nicht mehr so recht danach zumute dieses fortzusetzen. Denn plötzlich wähnte ich mich auf der wildesten Achterbahnfahrt meines Lebens.
Bildserie „Kurs bestimmen“ – © Knut Hildebrandt
Das Schiff schien um jede erdenkliche Achse, einem sich nicht ergründen lassenden Plan folgend, zu kreiseln. Um überhaupt eine Vorstellung davon zu bekommen, wo oben und wo unten ist, rettete ich mich vom Salon auf die Brücke. Aber auch das wollte nicht so recht helfen. Während meine Augen in Richtung Bug schauten bekamen sie abwechseln schäumende Gischt und Sekunden später blauen Himmel zu sehen. Das war dann eindeutig zu viel nach den drei Tagen festen Bodens unter den Füßen. Also machte ich mich auf den Weg zum zweitbesten Platz an Bord, meiner Koje.
Doch leider hatte ich diese noch nicht erreicht, als mein Magen ankündigte, daß ich wohl doch etwas zu reichhaltig gefrühstückt hatte. Legte deshalb einen kleinen Zwischenstopp auf dem Klo ein und entledigte mich der zu viel genossenen Nahrungsmittel. Danach ließ ich mich sanft in süße Träume wiegen.
Bildserie „Der Kapitän“ – © Knut Hildebrandt
Angesichts der offensichtlichen Unverträglichkeit von Nahrungsaufnahme und Wellengang stellte ich erstere vorübergehend ein. Hin und wieder ein kräftiger Schluck aus der Wasserflasche suggerierte dem Magen, daß er etwas angeboten bekäme. Nach der Völlerei der letzten Tage konnte die kleine Fastenkur auch nicht wirklich schaden. Ich hatte schon erste Speckfältchen auf dem Bauch ausgemacht. Und auf der Tour dick zu werden war nicht der Gedanke, mit dem ich in diese Abenteuer gestartet bin.
Habe übrigens in Zusammenhang mit dem Seegang zwei interessante Phänomene bemerkt. Sobald es losgeht mit dem Geschaukel, überkommt mich eine unbändige Müdigkeit. Könnte mich dann sofort in die Waagerechte begeben und schlafen. Das geht hier fast allen so und hinge angeblich damit zusammen, daß wir ungeübten Seeleute stets versuchten die Bewegung des Schiffes auszugleichen, was jede Menge Energie kostet. Wenn ich dann allerdings erst einmal in der Koje liege, ist der Tanz über die Wellen kaum mehr zu spüren. Rob meinte, im Liegen funktionierten unsere Gleichgewichtsorgane nicht mehr (so gut?), weshalb das Schwindelgefühl ausbleibt. Egel woran was jetzt auch immer liegt. Konsequenz des Ganzen ist: je stärker der Seegang, umso attraktiver wird der Platz im Bett.