Schlagwort-Archive: Nacht

One night in Santa Maria

Nach dem Abendessen bin ich mit Lau, Rob und Stanley ausgegangen. Unser erster Anlaufpunkt in Santa Maria war, was anfangs wie eine Sportbar aussah. Grelles Neonlicht schien uns entgegen. Ein paar Leute standen um einen Pooltable. Der Rest starrte auf den Fernseher neben dem Tresen und folgte gespannt einem Fußballspiel. Den Tresen einen solchen zu nennen, ist auch eher gewagt. Eigenlicht bestand er nur aus einem Fenster in der Wand. Hinter diesem verbargen sich eine Zapfanlage und ein Kühlschrank mit Flaschenbieren und Softdrinks. Allerdings holte sich außer uns sich kaum jemand dort etwas zu trinken.

Dinghy Landgang auf Sal – © Knut Hildebrandt

Das eigentliche Geheimnis der Bar sollte sich bald lüften. Denn nach und nach füllte sich der Laden. Während die neuen Gäste sich einen freien Platz an den Tischen suchten, rannte ein Typ durch die Menge und tauschte bunte Pappkärtchen gegen Geld. Jeder der Neuankömmlinge hatte bald mehrere dieser Karten und einen Haufen Maiskörner vor sich zu liegen. Während sich Lau, Rob und Stanley noch anbrüllten, um das Gemurmel im Raum zu übertönen, kehrte langsam Ruhe ein. Plötzlich nahm ein Typ eine abgegriffene Plastikflasche in die Hand, schüttelte diese, fingerte etwas aus ihr heraus und rief laut ein Zahl in die Runde. Ein Teil der Anwesenden griff ein Maiskorn und platzierte es auf dem Päppchen vor sich. Nun wußten wir, daß wir in einem Bingoladen gelandet waren.

Plötzlich war auch Schluß mit unserer Unterhaltung. Denn das hätte nur die gespannte Ruhe im Saal gestört. Also folgten wir anfangs interessiert, irgendwann leicht gelangweilt dem Geschehen und schlürften dabei unsere Biere aus. Rechtzeitig zum Ende des Spieleabends, der anscheinend nur aus drei Runden bestand, war auch das geschafft und wir zogen weiter.

Fischer am Strand Feierabendbier – © Knut Hildebrandt

Der nächste Laden wirkte wie ein kleiner Imbiss. Vor ihm saßen ein paar Leute und tranken Bier oder Wein. Wir gesellten uns dazu und bestellten drei Gezapfte und eine Runde Grog, den wir nach Laus Meinung unbedingt probieren mußten. Erstere kamen dann auch ziemlich schnell, letzterer nie. Denn während wir den Gerstensaft die Kehlen herunter rinnen ließen, wurden an den anderen Tischen bereits die Stühle hoch gestellt. Alles sah nach Feierabend aus.

Bevor wir weiter zogen, entbrannt noch einmal die Diskussion, wohin es denn eigentlich gehen sollte. Stanley wollte unbedingt tanzen gehen. Er war eigentlich schon sauer gewesen, daß wir nicht in dem Diskoschuppen, in den wir vor unserer Spielhölle kurz hinein gelugt hatten, geblieben sind. Aber sowohl Lau, als auch Rob gefiel House so wenig wie mir, sodaß Stanley keine Chance hatte uns zum Bleiben zu überreden. Da den beiden immer noch nicht so recht nach Tanzen zumute war, tanzte Stan schon mal für sich alleine über die Straße und war dann plötzlich verschwunden. Und somit waren es ihrer nur noch drei.

Diese zogen dann weiter und entdeckten zwei Straßenecken weiter das wahre Nachtleben Santa Marias. Vor einem winzigen Laden standen mehrere Tische und ein Grill. Ständig hielten Autos an. Die Insassen griffen sich schnell etwas vom Rost oder ließen sich an einem der Tische nieder. Letzteres taten dann auch wir. Gezapftes gab es hier zwar nicht, dafür aber den Grog. Fragt bitte nicht nach Sonnenschein. Man hätte das Zeug auch gut als Putzmittel benutzen können, so scharf war es. Mich erinnerte das Gesöff irgendwie an den Billig-Mezcal, den es in den Bars Oaxacas gratis zum Bier gibt. Und der wirkt tödlich. Es versprach also noch ein lustiger Abend zu werden.

Bildstrecke Sloop Bildserie „In der Schaluppe vor Santa Maria“ – © Knut Hildebrandt

Aber erst einmal harrten unserer andere Abenteuer. Die Damen am Nebentisch schienen an einer Unterhaltung mit uns interessiert zu sein. Nach ein, zwei spendierten Drinks kam diese dann auch so langsam in Gang. Und zumindest eines der Mädels zeigte Interesse an weiter gehender Konversation. Während Lau intensiv ihre Hand knetete schlug sie vor, sich bei ihr zu Hause weiter zu unterhalten. Da die beiden anderen zwischenzeitlich verschwunden waren, zogen Rob und ich es vor, dies auch zu tun und Lau das Feld alleinzu überlassen. Und so waren wir nur noch zu zweit.

Santa Maria ist am Tage ein todlangweiliges und nicht gerade schönes Kaff. Neben unzähligen Hotels gibt es hier jede Menge Reisebüros und Immobilienhändler, die allerdings am Samstag alle ab Mittag geschlossen haben. Das gilt nicht für die Gastronomie. Ganz im Gegenteil, je später der Abend, umso mehr geht es ab. Also turnten Rob und ich als nächstes in einen recht cool wirkenden Club, aus welchem uns gute Musik entgegen schallte. Von dem ebenfalls cool aussehenden, international besetzten Personal hinter der Bar ließen wir uns zwei nicht gerade günstige Minibiere in die Hand drücken. Danach war dann aber auch schon Schluß mit dem Coolsein. Als ich mich ganz lässig auf einen der Tische schwang, wurde ich ziemlich uncool darum angehalten, mich doch lieber an diesen zu setzen. Zum Glück waren die Bierchen ja nicht allzu groß, sodaß es nicht lange dauerte bis wir endlich weiter ziehen konnten.

Bildstrecke Inseln am Morgen Bildserie „Inseln am Morgen“ – © Knut Hildebrandt

Der letzte Laden auf unserem Streifzug glich in vielem dem dritten. Er war winzig. Man konnte sich kaum um die eigene Achse drehen. Aber es gab eiskaltes Bier. Und das war es, was wir wollten. Während wir bedächtig durch das zweite oder dritte Fläschchen schlürften, klingelte Robs Telefon. Lau wollte wissen, wo wir stecken. Als wir vor die Tür traten, um ihn besser verstehen zu können, kam er auch schon allein um die Ecke geschossen. Auf meine Frage, was denn aus seiner Süßen geworden sei, war er recht kurz angebunden. Er meinte nur, diese sei genau das gewesen, was man bei ihrer Offenheit hätte erwarten können. Und danach habe ihm nicht der Sinn gestanden.

Vielmehr war ihm jetzt noch nach einer weiteren Runde Grog zumute. Diese wurde dann auch prompt eingeschenkt und sofort ausgetrunken. Ich kann mich jetzt nicht mehr so recht erinnern, wie viele Runden danach noch kamen. Angesichts der Tatsache, daß ich am nächsten Morgen nur kurz aufgestanden bin, um eine Runde ums Boot zu schwimmen und mich dann erst wieder von der Schiffsglocke zum Mittagessen wecken ließ, könnten es noch einige gewesen sein.

Nicht desto Trotz haben wir es heil auf das Schiff zurück geschafft. Und welch ein Wunder: als wir auf dem Landungssteg auf das Schlauchboot warteten, tauchte auch unsere Tanzmaus Stanley wieder auf. So konnten Fabienne und Anouk uns vier Landausflügler ohne größere Suchaktionen einsammeln und sicher zur Oosterschelde zurück bringen.

Bei den fliegenden Holländern

Ich sage es gleich vorweg, die besten Plätze auf dem Schiff sind die Brücke und das Bett. Zumindest bei rauer See. In letzterem werde ich sanft in den Schlaf geschaukelt, egal was draußen so abgeht. Und auf ersterer läßt sich trotz all des Geschaukels einigermaßen die Haltung bewahren. Den Blick fest auf den Horizont gerichtet, kann ich dort fast vergessen, welchen Tanz wir auf den Wellen vollziehen und wie wenig mein Magen damit einverstanden ist. Und somit teilt sich mein Leben hier auf dem Schiff seit dem ersten Abend grob in zwei Phasen; die Wache, während derer wir der Stammcrew zur Hand gehen – Segel setzen, das Steuer bedienen, generell alle Dinge erledigen die an Deck anfallen – und die Ruhe. Nach der ersten Wachablösung fiel ich wie tot in die Koje. Kaum zwei Stullen konnte ich zur Brotzeit herunter würgen, dann fingen meine Innereien an zu protestieren. Um schlimmeres zu verhindern, zog ich es vor meiner nächste Wache in der Waagerechten entgegen zu schaukeln.

Bildstrecke Delfine Bildserie „Delfine“ – © Knut Hildebrandt

Doch schon ab dem dritten Tag stellte sich Besserung ein, zum einen weil die See ruhiger wurde und zum anderen weil ein gewisser Gewöhnungseffekt einsetzte. Immer noch wanke ich recht unsicher über das Deck. Das bekommen aber auch die Mitglieder der Stammcrew nicht viel besser hin. Allerdings meldet mein Magen jetzt kaum mehr Protest an. Das mag wohl auch daran liegen, daß wir uns so langsam aufs offene Meer hinaus bewegen. Freitag Abend haben wir die englische Küste verlassen, vor der wir einen Tag lagen, um günstigere Winde abzuwarten. Dann steuerten wir an der Westspitze Frankreichs vorbei auf die Biskaya zu. Der Wellengang erschien mir dort nicht weniger heftig, wirkte sich dafür aber nicht so stark auf mein Wohlbefinden aus. Das soll angeblich an der längeren Wellen liegen, die das Schiff weniger heftig schaukeln lassen.

Womit ich mich bisher noch nicht so recht anfreunden konnte ist das Wachsystem. Die Gäste wurden in drei Wachen eingeteilt, die über den Tag verteilt fünf Schichten schieben, zwei zu sechs Stunden von früh um acht bis abends um acht und drei zu jeweils vier Stunden über Nacht. Insbesondere die Wache zwischen vier und acht Uhr in der Frühe ist mir ein Graus. Um vier aus dem Bett zu fallen, auch wenn ich in selbiges um neun gestiegen bin, fiel mir noch nie leicht. Mich dann auch noch in irgend einer Weise sinnvoll zu betätigen ist fast ein Unding. So habe ich fast die gesamte Schicht vor mich hin gegähnt. Nur die gut eine Stunde am Ruder ließ mich Müdigkeit und aufkommende Kälte vergessen. Während dieser konnte ich auch die Ruhe der Nacht und den Blick in den klaren Sternenhimmel genießen. Zum Ende der Schicht wurde ich für das Durchhalten noch einmal extra belohnt. Im ersten Morgenlicht näherten sich zwei Delfine dem Schiff. Pfeilschnell schossen sie dicht unter der Wasseroberfläche an uns vorbei. Wenige Sekunden später schlichen sie sich von hinten wieder heran, setzten zum Sprung an und verschwanden dann in den Weiten des Atlantik. Ein wahrhaft erhebendes Erlebnis und krönender Abschluß einer nicht einfachen Wache.

Bildstrecke Krusenstern Bildserie „Krusenstern“ – © Knut Hildebrandt

Früh auf den Beinen zu sein scheint sich zu lohnen. Und somit war es ein Glück, daß ich am Sonntag die acht Uhr Wache hatte – eigentlich nicht gerade mein Liebling, weil ich mich auch zu ihr im Dunkeln aus dem Bett quälen muß. Kaum auf der Brücke angekommen bemerkte ich wie Leben in den Laden kam. Mein Blick folgte dem der anderen und dann entdeckte ich am Horizont die Masten eines Segelschiffes. Langsam kam es von der aufgehenden Sonne beschienen näher. Schon von weitem war zu erkennen, daß der Segler riesig ist. Vier Masten ließen sich bald zählen. Und dann, kurz bevor es sich nur wenige Meter an uns vorbei schob, konnte ich die kyrillischen Buchstaben am Bug des Schiffes entziffern. Der Krusenstern, dem Schulschiff der russischen Marine, waren wir in der Biskaya begegnet.

Eine Sache, die ich bei meiner ganzen Reiseplanung überhaupt nicht bedacht hatte, ist das Sprachproblem. Die Oosterschelde ist ein niederländisches Schiff und mein Freund Lau auch Holländer. Nun haben wir nie anders als auf Englisch und zuletzt sogar Deutsch miteinander kommuniziert. Das heißt aber nicht, daß dies auf dem Schiff auch so sein muß. Außer zwei Mitgliedern der Crew sind nur Niederländer an Bord. Diese sprechen zwar alle entweder Englisch oder Deutsch. Nicht desto Trotz ist Lingua franca Holländisch. Und auf Holländisch werden alle Erklärungen gegeben. Zum Glück übersetzen meine beiden charmanten Landsmänninen Fabienne und Jana immer dann, wenn mir davon kleine aber entscheidende Details durch die Lappen gehen.