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Dem Himmel ein Stück näher

Langsam quält sich der Bus den Berg hinauf. Von Zeit zu Zeit höre ich das Knirschen des Getriebes und spüre ein Zittern das altersschwache Gefährt erfassen. Sekunden später heult der Motor auf und wir schleichen um die nächste Kurve, weiter dem Gipfel entgegen.

Izalco Der Izalco am Morgen – © Knut Hildebrandt

Wenig später schiessen wir über den schmalen Grat eines riesigen Kraters. Der Ausblick von hier oben ist atemberaubend. Zur linken erstreckt sich eine weite Ebene. Zur rechten fällt der Krater steil zum Lago de Coatepeque ab. Die tief stehende Morgensonne spiegelt sich golden im blauen Wasser des Sees. Kleine Boote ziehen ihre Kreise über seine von Wellen gekräuselten Oberfläche.

Mein Ausflug soll mich jedoch nicht an die Ufer des Lago de Coatepeque führen. Sein Ziel ist der Parque Nacional Cerro Verde auf der anderen Seite des riesigen Kratersees. Majestätisch thront dort der erloschene Vulkan gleichen Namens über dem Lago de Coatepeque.

Das Herzstück des Parks ist der tropische Nebelwald, welcher den Cerro Verde bedeckt. Lehrpfade und Wanderwege laden dazu ein, diesen zu erkunden. In einem Orchideengarten kann man mehr über die in ihm heimischen Flora erfahren. Die grosse Attraktion des Parks sind jedoch die Vulkane Izalco und Santa Ana. Beide können in einem Tag vom Parque Cerro Verde aus besteigen werden.

Lavafeld Lavafeld am Fuß des Izalco – © Knut Hildebrandt

Gegen zehn hält der Bus auf dem Parkplatz am Besucherzentrum. Nachdem ich dort den Eintritt von knapp 3 Dollar bezahlt habe, erklimme ich erst einmal eine Aussichtsplattform. Von dieser bietet sich mir ein einmaliger Blick auf die beiden Vulkane. Direkt zu meinen Füssen liegt der Izalco. Zum Greifen nah ragt sein perfekt geformter Kegel aus der Ebene. Der Gipfel des Vulkans befindet sich etwas unterhalb des Cerro Verde, sodass ich fast in den Krater hinein schauen kann.

Der Izalco ist der jüngste Vulkan El Salvadors und einer der jüngsten in Zentralamerika. Mitte des achtzehnten Jahrhunderts begann Lava aus der südlichen Flanke des Santa Ana zu treten. Fast zweihundert Jahre lang folgten regelmässig Eruptionen, welche nach und nach aus Geröll und Asche den Izalco formten. In den sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts brach der Vulkan ein letztes Mal aus. Seitdem nimmt seine Aktivität stetig ab.

Der Santa Ana zu meiner Rechten ähnelt einem gewöhnlichen Berg. Wie ein grosser, grüner Buckel erheben sich seine dicht bewaldeten Flanken neben dem Izalco. Im Gegensatz zu diesem soll es aber im Krater des vor fünf Jahren letztmalig ausgebrochenen Santa Ana auch heute auch noch mächtig brodeln und kochen. Bei zwei so spannenden Alternativen wird mir die Entscheidung nicht leicht fallen, welchen Vulkan ich besteigen möchte.

Aufstieg Aufstieg zum Krater – © Knut Hildebrandt

Das Ziel der Wanderung hängt allerdings nicht allein von meinen Wünschen ab. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Überfällen auf dem Weg zu den Vulkanen. Deshalb dürfen nur noch geführte Touren in Begleitung von Beamten der Touristenpolizei zu ihnen unternommen werden. Wer einen der Vulkane besteigen möchte, muss dies zuvor bei der Parkverwaltung anmelden. Wenn es mindestens drei Interessenten gibt, wird von dieser eine Gruppe zusammengestellt. Die Wanderer entscheiden dann gemeinsam, wohin die Reise gehen soll.

Am Ende werde ich gar nicht gefragt, welchen Vulkan ich lieber erklimmen würde. In dem Durcheinander vor dem Abmarsch geht die Abstimmung unter. Einer der uns begleitenden Polizisten hat kurzer Hand entschieden, dass wir den Izalco besteigen werden. Mir soll es recht sein. Spannender sah dieser ja sowieso aus. Und so brechen wir kurz nach elf ohne grosse Diskussionen zu unserem Trek auf.

Bevor wir den Anstieg zum Gipfel des Izalco antreten können, heisst es vom Cerro Verde absteigen. Und das erinnert an eine entspannte Wanderung durch heimische Gefilde. Ein gut ausgebauter Wanderweg schlängelt sich durch dichten Mischwald. An etwas schwierigen Stellen bietet ein Geländer sicheren Halt. So hatte ich mir Trekking in El Salvador nicht vorgestellt. Einzig der Anblick eines Gürteltier am Wegesrand erinnert daran, das ich mich wirklich in Mittelamerika befinde.

Krater Im Krater – © Knut Hildebrandt

Am Fusse des Berges abrupter Szenenwechsel. Als wir aus dem Wald treten, begrüsst uns eine Mondlandschaft. Zwischen Waldrand und Vulkan erstreckt sich ein ausgedehntes Lavafeld. Ein schmaler Pfad ist zwischen den bizarren Zacken des erstarrten Vulkangesteins zu erkennen. In langen Serpentinen schlängelt sich dieser weiter die grauen Hänge des Izalco hinauf. Auf diesem Pfad stapften wir dem Krater entgegen.

Eine knappe Stunde später, stehe ich auf dem Gipfel des Izalco. Der Ausblick ist phantastisch. Direkt gegenüber ragt hoch über uns der Santa Ana in den blauen Himmel. Langsam schieben sich Wolken seine Hänge hinauf. Binnen kürzester Zeit verschwindet der Berg vollständig hinter einer Nebelwand.

Der Krater des Izalco hat auf den ersten Blick wenig Aufregendes zu bieten. Jeder noch so kleine Felsen wurde von unseren Vorgängern mit Initialen verziert. Lava spucken oder nach Schwefel stinkenden Rauch ausstossen möchte der Vulkan auch nicht. Lediglich heisser Wasserdampf tritt aus einigen Felsspalten. Aber allein das ist schon ein beeindruckendes Naturschauspiel.

Abstieg Abstieg vom Krater – © Knut Hildebrandt

Nachdem ich den Krater einmal umrundet habe, müssen wir auch schon den Rückweg antreten. Gegen drei verlässt nämlich der letzte Bus den Park. Das könnte fast knapp werden. Doch meine Sorge ist unbegründet. Denn der Abstieg vom Izalco gleicht Abfahrtsski durch Vulkanasche. Mehr schlitternd als laufend schießen wir, umhüllt von einer riesigen Staubwolke, in Rekordzeit den Hang hinab.

Zwischen See und Feuerberg

„Fuego y Agua – Feuer und Wasser“ nennt sich der Ultramarathon, welcher Mitte Februar wieder hunderte Extremsportler auf die Isla de Ometepe gelockt hat. Die Härtesten unter ihnen absolvierten einen Hundert-Kilometerlauf. Dieser ließ sie nicht nur die komplette Insel einmal umrunden, sondern auch die Gipfel der Vulkane Concepcíon und Madera erklimmen.

Concepción Concepción – © Knut Hildebrandt

Doch auch die Teilnehmer des Marathon, welche nur eine Teilstrecke des Rundkurses absolvierten, wurden vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt. Der Lauf führte sie über sandige Strände und durch staubige Vulkanasche. Sie rannten durch Bananen- und Kakaoplantagen sowie die immer feuchten tropischen Nebelwälder an den Hängen der Vulkane. Und das alles bei Temperaturen, die einem das Blut in den Adern zum Kochen bringen.

Man muss aber nicht Marathonläufer sein und die Extreme lieben, um auf Ometepe ein paar interessante Tage zu verbringen. Die Insel im Lago de Nicaragua bietet für jeden Geschmack etwas. Badefreunde finden ausgedehnte, ruhige Strände aus dem schwarzen Sand des Vulkangesteins. Und am Playa Santo Domingo können sie sich sogar in der Karibik wähnen. Weißer Sand, gemütliche Strandbars und kleine Hotels laden dazu ein, hier ein paar Tage zu verweilen.

Nun bin ich weder Strandtyp noch Hochleistungssportler. Trotzdem hat es mich auf die Insel gezogen. Denn an und um die beiden Vulkane warten die verschiedensten Aktivitäten auf großstadtmüde Abenteurer. Die jeweils rund vierzig Kilometer lange Radtour um Concepcíon und Madera ist auch von Freizeitsportlern zu meistern. Ein früher Start und ausreichende Wasservorräte vorausgesetzt, ist die Rundfahrt jeweils gut an einem Tag zu schaffen.

Landstraße © Knut Hildebrandt

Aber auch die Vulkane selbst lohnen die Reise über den Lago de Nicaragua. Beide lassen sich innerhalb eines Tages besteigen. Vom Concepcíon ergeben sich bei günstigem Wetter dann spektakuläre Ausblicke über die Insel und den See.

Der Madera ist ein ideales Ziel für Ökotouristen. Ein Großteil der südöstlichen Inselhälfte, über welcher er sich erhebt, ist Naturreservat. Ausgedehnte Wanderwege laden dazu ein, dieses zu durchstreifen.

Direkt am Fuße des Madera existiert auch eine ideale Basis, um diesen Teil der Insel zu Fuß oder per Rad zu erkunden. Versteckt in einer Bananenplantage liegt hier die Finca Zopilote. Im Schatten riesiger Bäume bieten ein knappes Dutzend Holzhütten günstige Unterkunft. Hängematten laden zum Verweilen vor der Gemeinschaftsküche ein. Dort lernte ich auch Joe aus England und Amit aus Israel kennen.

Am Fuße des Madera Am Fuße des Madera – © Knut Hildebrandt

Schnell vergeht die Zeit beim Kaffee trinken und Schwatzen mit den beiden. Zu schnell für die wenigen Tage, die mir auf Ometepe noch verbleiben. Um nicht am Ende nur dieses kleine Paradies gesehen zu haben, beschließen wir gemeinsam den Madera zu besteigen.

Mit den ersten Strahlen der Morgensonne wollten wir starten. Jose Luis, unser Guide, wartet auch schon ungeduldig seit sechs vor der Küche auf uns. Doch bevor es losgehen kann gibt es noch tausend Dinge zu erledigen. Der Morgenkaffee muss gebrüht und geschlürft, die Wasserflasche noch schnell aufgefüllt werden. Als wir endlich aufbrechen, steht die Sonne schon weit über dem Horizont.

Die erste Stunde Fußmarsch führt uns durch Maisfelder und Bananenplantagen. Sie ist leider nicht so angenehm, wie erhofft. Wegen der sich schnell aufbauenden Hitze kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Besser wird es, als der Pfad am Fuß des Vulkans im Wald verschwindet. Im Schatten der riesigen Bäume wandert es sich völlig entspannt die leichte Steigung hinan.

Im Nebelwald Im Nebelwald – © Knut Hildebrandt

Hier im Wald sind wir von den merkwürdigsten Geräuschen umgeben. Fast beängstigend schlägt uns das Geschrei von Brüllaffen entgegen. Hoch über uns hangelt sich eine Gruppe durch das grüne Blätterdach. Um uns herum zirpen tausende Grillen gegen das Gezeter der Affen an. Unterstützt werden sie durch den exotischen Gesang mir unbekannter Vögel.

Plötzlich stoppt Jose Luis vor einem Baum. Mit seiner Machete zeigt er auf einen dünnen, giftgrünen Zweig, welcher sich langsam unseren Blicken zu entziehen versucht. Das was Jose im Vorbeigehen zwischen den Blättern des Baums erspäht hatte ist kein Ast. Es ist eine tödlich giftige Schlange.

Nach gut einer Stunden Wandern stehen wir vor einer dichten Nebelwand. Als wir diese durchschreiten, finden wir uns in einem Märchenwald wieder. Der Blick reicht keine zehn Meter weit. Aus den Nebelschwaden winken mir urige Fabelwesen entgegen. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich in ihnen Bäume. In feuchte Pelze aus Moos gehüllt tragen sie lange, grüne Bärte aus Flechten.

Am Kratersee Am Kratersee – © Knut Hildebrandt

Mit einem Mal ist auch kein Geräusch mehr zu hören. Affen, Vögel und Zikaden sind verstummt. Nur ein unheimliches Pfeifen ist zu vernehmen, wenn der Wind leise durch die Baumwipfel streift. Schüttelt er diese zu sehr, regnen kalte Schauer auf uns herab.

Schon bald ähnelt der Weg einem schlammigen Flussbett. Wurzeln und Geröll sind so glatt, dass wir kaum mehr voran kommen. Jose Luis weicht deshalb immer wieder in den Wald aus. Doch auch zwischen den Bäumen ist das Laufen nicht einfach. Auf dem mit Wasser voll gesogenem Waldboden, versinken wir bis über die Knöchel im Morast.

Gut vier Stunden nach dem Abmarsch von der Finca Zopilote ist es geschafft. Wir stehen am Ufer eines sich im Krater verbergenden See. Anfangs kann man diesen nur erahnen. Eine dichte Nebelwand entzieht ihn dem Blick. Doch während wir uns zum Picknick niederlassen und die mitgebrachten Leckereien auspacken, hebt sich langsam der Nebel. Nach und nach gibt er den Blick auf den See und die gegenüberliegende Kraterwand frei. Bin ich froh diesen Anblick in Ruhe genießen zu können und nicht, wie die Marathonläufer, sofort zur Besteigung des Concepción weiter hetzen zu müssen.

Aluguer – reisen wie in die Einheimischen

Kinder - São Filipe© Knut Hildebrandt

Nicht nur das Fliegen ist auf den Kapverden ein Abenteuer. Jedes Mal wenn man sich den öffentlichen Verkehrsmitteln anvertraut muß mit Überraschungen gerechnet werden.

In São Filpe zu bleiben, war nicht mein Begehr. In den Chã das Caldeiras, einen eingestürzten Vulkankrater, sollte es gehen. Dort wollte ich wandern und Gipfel erstürmen. Sparfuchs der ich allerdings bin, kam für mich natürlich keine organisierten Tour für rund hundert Euro am Tag in Frage. Also habe mich auf den Weg zum Marktplatz und die Suche nach einem Aluguer – den hiesigen Sammeltaxis – gemacht. Wer allerdings so reisen möchte, muß eine gehörige Portion Geduld mitbringen.

Das Transportmittel war bald gefunden. Mit einem Gemisch aus Englisch, Spanisch und Portugiesisch hatten wir uns auch relativ schnell auf einen zugegebener maßen günstigen Fahrpreis geeinigt. Doch das hieß noch lange nicht, daß es jetzt auch los gehen würde. Denn ich war bislang der einzige Fahrgast. Also wurde ich gebeten etwas Geduld zu haben und neben dem Kleinbus zu warten. Währenddessen drehte der junge Mann, den ich anfangs für den Fahrer gehalten hatte, noch eine kleine Runde durch den Ort.

Um meine Geduld nicht zu sehr zu strapazieren und mich womöglich als Fahrgast zu verlieren, hat er nach seiner Rückkehr erst einmal mein Gepäck verladen. Aber auch das sollte nicht heißen, daß wir jetzt abfahren würden. Denn außer mir gab es erst einen weitere Mitfahrerin.

Pickup1 - São Filipe © Knut Hildebrandt

Bald gesellte sich eine zweite Frau mit ihrem Töchterchen zu uns. Während sie sich angeregt mit mit Ihrer Sitznachbarin unterhielt, begann letztere aufmerksam das Haar des schlafenden Mädchens zu durchkämmen. Was sie dabei suchte, konnte ich nicht erkennen. In Erinnerung an gewisse Untersuchungen in der Schule überkam mich aber eine gewisser Verdacht. War ich froh, mir erst vor zwei Tage den Kopf rasieren gelassen zu haben.

So langsam ging es auf Mittag zu und ich bekam Hunger. Also drehte ich auf der Suche nach etwas Eßbarem jetzt noch eine Runde über den Marktplatz. Als ich zum Bus zurück kehren wollte, kam mir dieser dann bereits entgegen. Froh darüber, daß es endlich los geht, sprang ich an Bord.

Kirche - São Filipe Kirche von São Filipe – © Knut Hildebrandt

Doch weit gefehlt. Von Abfahrt konnte keine Rede sein. Erst einmal mußten noch einige Runden durch São Filpe gedreht werden. Dabei wurde immer mal wieder ein kleines Schwätzchen mit den Leuten am Straßenrand gehalten. Und wie durch ein Wunder gesellten sich so nach und nach weitere Mitreisende zu uns.

Als der Kleinbus bis auf den letzten Platz belegt war, mußte noch tanken gefahren werden. Allerdings war der Sprit nicht für den Aluguer gedacht. Einer der Mitreisenden brauchte unbedingt noch fünf Liter Benzin, die direkt aus der Zapfsäule in eine alte Wasserflasche gefüllt wurden. Damit aber nicht genug. Plötzlich fiel einem anderen Fahrgast ein, daß er beim Einkaufen etwas vergessen hatte. Also ging es noch einmal zurück zum Marktplatz, das Fehlende besorgen.

Garage - São Filipe © Knut Hildebrandt

Doch dann war es endlich geschafft. Dreizehn Erwachsene, vier Kinder und jede Menge Gepäck hatten neben dem Fahrer in unserem Aluguer Platz gefunden. Bei uns wäre dieser wahrscheinlich für acht bis zehn Leute zugelassen worden. Aber hier schien das kein Problem zu sein. So kommt man sich eben näher. Und daß der Nachwuchs oder das halbe Gepäck auf dem Schoß reisen, ist auf den Kapverden wohl eher normal.

Ob es wirklich zulässig war den Aluguer so voll zu stopfen, wage ich zu bezweifeln. Denn am Ortsausgang wurde es plötzlich unruhig im Bus. Vier meiner Mitreisenden mußten aussteigen. Sie fuhren mit einem Taxi weiter, welches unser Fahrer bezahlte. Fünf Minuten später sammelten wir sie dann wieder ein. Hatten sich da etwa Polizisten am Straßenrand auf die Lauer gelegt?

Pickup2 - São Filipe © Knut Hildebrandt

Dann ging es endlich wirklich los. Anfangs holperten wir über eine alte Pflasterstraße durch grüne Obsthaine am Fuße des Vulkans. Später kämpfte sich unser Aluguer die langen Serpentinen der neuen Teerstraße den Berg hinauf. Als am Straßenrand ein Schild auftauchte, welches uns im „Parque Natural Pico de Fogo“ willkommen hieß, war ich meinem Ziel ganz nah. Von dort trennten uns nur noch wenige Minuten Fahrt durch bizarre Lavafelder vom Dorf.

Fliegen in Afrika – ein Abenteuer für sich

Es ist geschafft, ich bin auf Fogo angekommen. Aber fragt nicht wie. Obwohl es nur zwei kurze Flüge von Sal nach Fogo sind, war ich am Ende ziemlich geschafft. Auf dem Flughafen von Sal kam ich viel zu früh an; nicht nur die eineinhalb Stunden vor Abflug, die mir das Reisebüro empfohlen hatte, sondern sogar noch eine halbe Stunde eher. Als ich dann endlich das Büro der Charterlinie gefunden hatte, hieß es dort ich solle mich 45 Minuten vor Abflug noch mal melden. Aber zumindest gab es schon mal eine Art Bordkarte. Das stimmte hoffnungsvoll.

Bildstrecke Überfahrt Bildserie „Überfahrt nach Santo Antão“ – © Knut Hildebrandt

Pünktlich, wie ich nun mal bin, stand ich rechtzeitig wieder im Büro. Dort hieß es allerdings, ich müsse mich noch etwas gedulden. Man würde uns aufrufen, wenn es soweit ist. Uns bedeutete in diesem Falle einen kapverdischen Hauptmann und mich. Sollten wir denn die einzigen Fluggäste sein?

Waren wir natürlich nicht. Erst einmal tauchte eine Gruppe laut schnatternder Chinesen auf. Diese hatten offensichtlich beim Buchen nicht richtig zugehört. Denn anstatt sich bei der Fluggesellschaft zu melden stritten sie sich mit dem Sicherheitspersonal herum. Sie waren ja schon spät dran und wollten schnell zum Einchecken weiter. Erst nach längerer Diskussion und einigen Irritationen ließen sie sich davon überzeugen, vorher den Papierkram im Büro zu erledigen.

Bildstrecke Ponta do Sol Bildserie „Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Dann schien es endlich los zu gehen. Zumindest stand die nette Dame hinter ihrem Computer auf und spazierte mit uns im Gefolge in die Abfertigungshalle. Hier wurde ihr noch kurz erklärt, wie das Laufband funktioniert und dann ließ sie unser Gepäck nach und nach hinter einer kleinen Tür verschwinden.

Gut zehn Leute einzuchecken kann nicht ewig dauern. Also beschloß ich ganz ruhig zu bleiben und nicht ständig an die knappe Umsteigezeit in Praia zu denken. Aber offensichtlich schien noch jemand wichtiges zu fehlen. Denn unsere Begleiterin schaute mit nervösem Blick in Richtung Eingang der Abfertigungshalle. Dort tauchten dann nach einer Weile zwei ältere Herren auf. Als auch diese verarztet waren, hätte es meiner Meinung nach endlich losgehen können. Doch plötzlich war unser Hauptmann verschwunden. Während dieser wieder eingesammelt wurde, verschwand ich – nun schon reichlich nervös – noch einmal kurz um die Ecke.

Bildstrecke Hafen Bildserie „Im Hafen von Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Als ich keine zwei Minuten später zurück kam, hatten alle bereits ihre Koffer in der Hand. Langsam marschierte der Trupp durch das, was eigentlich hätte die Sicherheitskontrolle sein müssen. Nur daß dort weder jemand saß, der den Check hätte machen können, noch die dazu nötige Maschinerie angeschaltet war. So gelangten wir völlig unkontrolliert in den letzten Warteraum und ich hoffte, daß es nun endlich an Bord geht. Aber weit gefehlt, denn der Flugkapitän fehlte noch. Dieser kam einige Minuten später in aller Ruhe um die Ecke geschlendert und spazierte wenige Meter vor uns über das Rollfeld der Maschine entgegen.

Ich bin nicht nur einmal in meinem Leben geflogen. Aber einer solchen Kaffemühle hatte ich mich dabei noch nie anvertraut. Achtzehn Plätze habe ich gezählt, gerade mal genug, um uns alle unterzubringen. Ich setzte mich ganz vorne hin, da ich von dort dem Piloten besser über die Schulter schauen konnte. Es gab nämlich keine eine Tür zwischen der Kanzel und den Fluggastraum. Das schaffte genauso Vertrauen, wie der Umstand, daß dem Piloten erst einmal eine Sonnenblende abbrach, als er sie einstellen wollte.

Bildstrecke Pico do Fogo Bildserie „Pico do Fogo“ – © Knut Hildebrandt

Nachdem dann endlich alle Türen geschlossen waren, warf der Kapitän die Motoren an, schloß das Fenster, aus dem er bis dahin noch lässig den Arm hatte hängen lassen und brachte die Propeller auf Touren. Dann ging es los und wenige Minuten später schwebten wir über dem Ozean. So richtig genießen konnte ich den Flug leider nicht. Irgendwie wollte mir mein knapper Anschluß in Praia nicht aus dem Kopf gehen. Blöd eigentlich, denn ändern konnte ich ja doch nichts.

Als wir in Praia ankamen, wollte ich mein Gepäck sofort am Flugzeug in Empfang nehmen. Schließlich hatten in der Maschine weniger Passagiere gesessen als in einem üblichen Reisebus. Und bei dem ist das ja auch kein Problem. Anders auf dem Flughafen von Praia. Selbst als ich erklärte, daß ich unbedingt den Flug nach Fogo schaffen müsse, hieß es dort, daß dies nicht möglich sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, versuchte mich die nette Dame von der Fluggesellschaft zu beruhigen. Das Boarding der Maschine nach Fogo hatte noch nicht begonnen. Dase klang ungemein beruhigend.

Bildstrecke Vulkanbesteigung Bildserie „Vulkanbesteigung“ – © Knut Hildebrandt

Um nicht weiter sinnlos Zeit zu verlieren, ließ ich Rucksack erst einmal Rucksack sein und flitzte los, das Büro der TACV zu suchen. Als ich dort erklärte, ich hätte ein Ticket für den nächsten Flug nach Fogo, schaute man mich nur mit großen Augen an. Der Flug sei bereits geschlossen, meinte die Frau hinter dem Schalter. Aber schließlich waren wir in Afrika und das Motto auf den Kapverden ist „No Stress“. Also nahm sie meine Buchungsbestätigung entgegen und stellte mir in aller Seelenruhe eine Bordkarte aus. Währenddessen rannte ichnschnell noch mal los, um meinen Rucksack einzusammeln.

Am Ende wurde ich für das ganze Theater ausreichend entschädigt. Im Reiseführer hieß es nämlich, man müsse beim Anflug auf Fogo wegen des beeindruckenden Blicks auf den Vulkan auf der rechten Seite der Maschine sitzen. Bei all dem Streß hatte ich natürlich keinen Nerv dafür gehabt, mich auch noch darum zu kümmern. Nun hielt ich eine Bordkarte für den Sitz 3D in der Hand; kurz hinter der Kanzel, am rechten Fenster. Besser konnte ich kaum sitzen. Denn so weit vorne versperren nicht einmal die Tragflächen den Blick auf den Vulkan. Nur hätte ich diesen noch mehr genießen können, wenn öfter mal die Fenster geputzt werden würden.

Sacramento Trail

Wow, was für ein Tag. Ich bin fast versucht zu behaupten, er sei der schönste meiner bisherigen Reise. Das würde allerdings den vielen anderen tollen Erlebnissen und Begegnungen, die ich bisher hatte, nicht gerecht werden. Begeistert bin ich aber trotzdem.

Sacramento Trail - 1 Keswic Dam – © Knut Hildebrandt

Im zweiten Anlauf haben wir es endlich geschafft eines von Eds zwei Räder in Gang zu bekommen. Da uns dies mit seinem sehr guten Mountainbike auf die Schnelle nicht gelingen wollte, mußte ich nun mit einem Damenrad Vorlieb nehmen, das er für kürzere Strecken in der Stadt benutzt. Zum Glück hatte es eine Gangschaltung, bei der auch alle 21 Gänge funktionierten. Das sollte sich später als lebensrettend erweisen.

Der Plan war bis zum Shasta Staudamm den Sacramento hinauf zu radeln und dann zurück bis zur Sundial Bridge in Redding. Von der Brücke aus sollten es etwas mehr als 17 Meilen zum Damm sein, was gute fünfzig Kilometer für den ganzen Trip ergeben würde. Allerdings wolle ich nicht von der Brücke starten, sondern von Eds Haus erst einmal nach Old Shasta, einem alten Westernstädchen, radeln.

Sacramento Trail - 2 Radweg entlang des Sacramento – © Knut Hildebrandt

Wie immer sind wir wieder einmal viel zu spät in die Gänge gekommen. Als ich dann endlich im Sattel saß war es schon gut elf Uhr. Zum Glück lag Eds Haus schon etwas außerhalb des Zentrums. Ich mußte also nur fünf Blocks und über einen kleinen Hügel strampeln, um auf den Highway 299 zu treffen, welcher auf seinem Weg zur Küste als erstes durch Old Shasta kommt.

Bis dort waren es dann noch drei Meilen, die sich in der Mittagshitze ganz schön hin zogen. Highway 299 muß nämlich auf seinem Weg zum Pazifik eine Bergkette überqueren und klettert dabei von gut 500 Fuß auf mehr als 3.000. Zum Glück liegt Old Shasta nicht ganz so hoch. Jedoch gab mir der Anstieg dahin schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was mich später noch auf meinem Damenrad erwarten würde.

Sacramento Trail - 3 Sacramento River – © Knut Hildebrandt

Nachdem ich ein paar Bilder der noch stehenden Gebäude in dem seit langem verlassenen Ortes geschossen hatte, begann der eigentliche Trip. Von Old Shasta führte eine Postkutschenroute den Mittle Creek entlang zum Sacramento. Eine gewisse Berühmtheit erlangte diese, als die Ruggles-Brüder im Mai 1892 auf ihr eine Kutsche überfielen und dabei 5.000 Dollar in Gold erbeuteten. Heutzutage geht es hier friedlicher zu. Die ehemalige Landstraße wurde für den Autoverkehr gesperrt und in eine Radwanderroute umgewandelt. Auf dieser schoß ich hoch über dem trockenen Flußbett dem Sacramento entgegen.

Nach nicht einmal zwanzig Minuten erreichte ich den Radweg an seinem Westufer. Auch dieser war in hervorragenden Zustand. Da hatten die Amis einen tollen Job gemacht. In und um Redding gibt es ein gut ausgebautes Routennetz für Freizeitaktivitäten. Alle dazu gehörenden Wege hatte man für den Autoverkehr gesperrt und einige sogar asphaltiert. Letztere eigneten sich hervorragend fürs Radwandern. Und das Beste: in den Fahrradläden der Stadt, sowie im Museumsshop des Turtle Bay Parks gibt es kostenlos diverse Karten und Wanderführer, die einem das Erkunden der Umgebung erleichtern.

Sacramento Trail - 4 Shasta Dam – © Knut Hildebrandt

Auf dem Sacramento River Rail Trail, der wie der Name vermuten läßt einer alten Bahnlinie folgt, fuhr ich Richtung Norden. Auch auf ihm kam ich schnell voran. Im unteren Bereich schlängelte sich der Weg durch eine trockene Savannenlandschaft und wies bis zum Keswic Dam keine nennenswerte Steigung auf.

Als ich den kleinen Staudamm schon nach kurzer Fahrt erreichte, wurde ich übermütig. Ich entschloß mich nicht auf dem ausgebauten Weg zu bleiben. Statt dessen nahm ich einen unbefestigten Pfad entlang des Ufers. Dieser sah auf der Karte wie eine Abkürzung aus. Und selbst wenn er das nicht war, müßte ich nicht den Hügel hinauf strampeln, den sich der Hauptweg hinter dem Damm hinan schlängelte. Was ich dabei nicht bedachte: ich war nicht mit einem Mountainbike unterwegs. Das etwas schwerfälligen und nicht ganz leichte Damenrad war wenig für den Offroad-Einsatz geeignet. Deshalb hat mich diese Abkürzung einiges an Schweiß und zusätzlicher Fahrzeit gekostet. Ich durfte nämlich immer wieder absteigen und am Ende das Rad dann doch noch eine kleine Anhöhe hinauf schieben.

Sacramento Trail - 5 © Knut Hildebrandt

Damit war dann aber auch das gröbste geschafft. Vorerst zumindest. Ganz entspannt radelte ich ich in sanft geschwungenen Kurven eine weitere Steigung hinauf. Dann ging es fast nur noch bergab. Auch folgte der Weg nun ziemlich genau dem Flußlauf. Das war allerdings nicht der einzige Unterschied zum ersten Teil der Radroute. Zwischen den beiden Staudämmen wirkte alles viel grüner. Und immer wieder boten sich tolle Blicke über den Sacramento.

Kurz vor drei und nach gut vier Stunden auf dem Rad tauchte endlich der Shasta Staudamm auf. Mehr als 180 Meter erhebt sich die Staumauer über den Fluß. Und diese 180 Meter hieß es jetzt hinauf strampeln, denn ich wollte über den Damm und und am westlichen Ufers des Sacramento zurück in die Stadt fahren.

Sacramento Trail - 6 Shasta Lake – © Knut Hildebrandt

Was ich mir da vorgenommen hatte wurde mir klar, als ich die ersten zwei Serpentinen der kleinen Straße zur Krone der Talsperre hinter mir hatte. Die Sonne war brütend heiß. Und selbst im kleinsten Gang hatte ich ziemlich mit der Steigung zu kämpfen. Wie schön, daß ich da schon ein Viertel des Weges hinauf geschafft hatte.

Als ich endlich an der Zufahrt zum Damm ankam, war ich schweißgebadet. Noch völlig außer Atem fragte ich den dort Wache haltenden Polizisten nach Rückfahrmöglichkeiten. Er empfahl mir die gleiche Route zu nehmen, die ich gekommen war. Die Wege auf der anderen Flußseite seien alle nicht ausgebaut, erklärte er. Was das hieß, hatte ich ja schon auf dem kurzen Stück hinter dem Keswic Damm erfahren. Sollte ich mir das wirklich noch einmal antun?

Sacramento Trail - 8 Shasta Dam – © Knut Hildebrandt

Die Entscheidung darüber wollte ich mir bis nach der Überquerung des Damms aufsparen. Auf der anderen Seite gab es ein Besucherzentrum und ich hoffte in diesem noch einige erhellende Informationen zu bekommen. Doch so lange mußte ich gar nicht warten. In der Mitte des Damms fiel mir auf, daß der vordere Reifen Luft verlor. Ich schaffte es gerade mal bis zum Visitors Center, bevor er völlig platt war.

Die Sache hatte aber auch ihre gute Seite. Nun brauchte ich mir keine Gedanken mehr über die Rückfahrt zu machen. Ich rief Ed an, der mich abholen kam. Und zur Belohnung für die Strapazen hielt er noch an einer Stelle, von der sich ein spektakulärer Blick über Damm und Stausee hinweg auf den dahinter in den Himmel ragenden Mount Shasta bot. Diesen hätte ich ohne die Panne sicher verpaßt.