Juchu, es ist geschafft. Habe den gestrigen Tag im Bett erfolgreich genutzt, um gut die Hälfte der knapp sechshundert Lissabon-Bilder zu sichten. Und so nebenbei gelang es auch, meinen Magen ein wenig mit dem Geschaukel auszusöhnen. Auf jeden Fall geht es ihm jetzt besser und ich kann die Vier-Uhr-Wache an Deck antreten.
Bildserie „Unter Segeln“ – © Knut HildebrandtMan glaubt ja nicht wie lecker ein salziger Apfel schmecken kann, zumal nach einem unfreiwilligen Fastentag genossen. Nun glaube bitte niemand, die Seekrankheit hätte meine Geschmacksnerven verwirrt und ich genieße Obst neuerdings mit Salz und Pfeffer oder sogar Tabasco-Soße. Aber an Deck ging es so munter zu, daß es keinen Sinn machte das gute Stück ständig abzuwischen. Wir standen de facto in einer Salzwasserwolke, gespeist aus den an die Bordwand schlagenden Wellen.
Und weil Wind und Wetter Kapriolen schlugen gab es auch jede Menge zu tun. Kurz vor meinem Aufwachen wurde die Maschine gestoppt. Nun hieß es Segel setzen. Das obere Rahsegel sollte raus und der vordere Klüver. Bei dem Job kann man dann schon mal gut ins Schwitzen kommen, wobei Rah, Fog und Klüver die kleineren Herausforderungen darstellen. Richtig lustig wird es erst bei den Gaffelselgeln. Da können schon mal vier, fünf Leute wie die Ochsen am Fall ziehen, ohne daß sich der Gaffelbaum nach oben bewegt.
Bildserie „An den Segeln“ – © Knut HildebrandtAber damit greife ich den Geschehnissen ein wenig voraus. Erst einmal hieß es die Segel wieder einholen. Kaum waren wir zurück auf der Brücke meinte Maarten, der Steuermann, Klüver und Rahsegel müssen wieder runter. Eine Sturmfront komme auf uns zu. Gesagt, getan. Wir sind wieder nach vorne geturnt und haben die alles wieder eingeholt.
Nur die Sturmböen ließen dann auf sich warten. Statt ihrer setzte totale Windstille ein, was auch nicht gut ist. Denn dann wird das Schiff zum Spielball der Wellen und die Segel fangen an unkontrolliert gegen die Masten zu schlagen. Also mußte das Besansegel auch noch runter, was allerdings relativ leicht geht. Man löst einfach nur die Klaufall, mit der der Gaffelbaum nach oben gezogen wird und schon kommt es von alleine runter. Die Gaffel ist so schwer, daß es kein Halten gäbe, würde man nicht noch ein bisschen mit dem Tau bremsen.
Bildserie „Aufentern“ – © Knut HildebrandtNachdem wir alles wieder runter geholt hatten was zuvor gesetzt worden war, kehrte erst einmal Ruhe in. Der Motor wurde wieder gestartet, der Autopilot eingeschaltet und es gab nichts mehr zu tun. Zum Glück waren jetzt die ersten eineinhalb Stunden der Schicht schon ins Land gegangen. Denn nichts ist langweiliger als nachts auf der Brücke zu hängen, wenn die Maschine läuft. Dann kann man sich nicht einmal mit Steuern munter halten. Und so fielen mir auch ziemlich bald die Augen zu. Nickte in der Kabine vor mich hin, bis Lau mich eine gute Stunde später liebevoll mit den Spruch: „Watching doesn’t mean sleeping – Wachen heißt nicht schlafen!“ aus den Träumen riß.
Allerdings war dann auch bald Schluß mit der Langeweile. Denn Wind kam auf und Lau wollte wieder alle Segel setzten. Das hielt uns auf Trab bis ans das Ende der Schicht und die Glocke zum Frühstück rief.