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Sacramento Trail

Wow, was für ein Tag. Ich bin fast versucht zu behaupten, er sei der schönste meiner bisherigen Reise. Das würde allerdings den vielen anderen tollen Erlebnissen und Begegnungen, die ich bisher hatte, nicht gerecht werden. Begeistert bin ich aber trotzdem.

Sacramento Trail - 1 Keswic Dam – © Knut Hildebrandt

Im zweiten Anlauf haben wir es endlich geschafft eines von Eds zwei Räder in Gang zu bekommen. Da uns dies mit seinem sehr guten Mountainbike auf die Schnelle nicht gelingen wollte, mußte ich nun mit einem Damenrad Vorlieb nehmen, das er für kürzere Strecken in der Stadt benutzt. Zum Glück hatte es eine Gangschaltung, bei der auch alle 21 Gänge funktionierten. Das sollte sich später als lebensrettend erweisen.

Der Plan war bis zum Shasta Staudamm den Sacramento hinauf zu radeln und dann zurück bis zur Sundial Bridge in Redding. Von der Brücke aus sollten es etwas mehr als 17 Meilen zum Damm sein, was gute fünfzig Kilometer für den ganzen Trip ergeben würde. Allerdings wolle ich nicht von der Brücke starten, sondern von Eds Haus erst einmal nach Old Shasta, einem alten Westernstädchen, radeln.

Sacramento Trail - 2 Radweg entlang des Sacramento – © Knut Hildebrandt

Wie immer sind wir wieder einmal viel zu spät in die Gänge gekommen. Als ich dann endlich im Sattel saß war es schon gut elf Uhr. Zum Glück lag Eds Haus schon etwas außerhalb des Zentrums. Ich mußte also nur fünf Blocks und über einen kleinen Hügel strampeln, um auf den Highway 299 zu treffen, welcher auf seinem Weg zur Küste als erstes durch Old Shasta kommt.

Bis dort waren es dann noch drei Meilen, die sich in der Mittagshitze ganz schön hin zogen. Highway 299 muß nämlich auf seinem Weg zum Pazifik eine Bergkette überqueren und klettert dabei von gut 500 Fuß auf mehr als 3.000. Zum Glück liegt Old Shasta nicht ganz so hoch. Jedoch gab mir der Anstieg dahin schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was mich später noch auf meinem Damenrad erwarten würde.

Sacramento Trail - 3 Sacramento River – © Knut Hildebrandt

Nachdem ich ein paar Bilder der noch stehenden Gebäude in dem seit langem verlassenen Ortes geschossen hatte, begann der eigentliche Trip. Von Old Shasta führte eine Postkutschenroute den Mittle Creek entlang zum Sacramento. Eine gewisse Berühmtheit erlangte diese, als die Ruggles-Brüder im Mai 1892 auf ihr eine Kutsche überfielen und dabei 5.000 Dollar in Gold erbeuteten. Heutzutage geht es hier friedlicher zu. Die ehemalige Landstraße wurde für den Autoverkehr gesperrt und in eine Radwanderroute umgewandelt. Auf dieser schoß ich hoch über dem trockenen Flußbett dem Sacramento entgegen.

Nach nicht einmal zwanzig Minuten erreichte ich den Radweg an seinem Westufer. Auch dieser war in hervorragenden Zustand. Da hatten die Amis einen tollen Job gemacht. In und um Redding gibt es ein gut ausgebautes Routennetz für Freizeitaktivitäten. Alle dazu gehörenden Wege hatte man für den Autoverkehr gesperrt und einige sogar asphaltiert. Letztere eigneten sich hervorragend fürs Radwandern. Und das Beste: in den Fahrradläden der Stadt, sowie im Museumsshop des Turtle Bay Parks gibt es kostenlos diverse Karten und Wanderführer, die einem das Erkunden der Umgebung erleichtern.

Sacramento Trail - 4 Shasta Dam – © Knut Hildebrandt

Auf dem Sacramento River Rail Trail, der wie der Name vermuten läßt einer alten Bahnlinie folgt, fuhr ich Richtung Norden. Auch auf ihm kam ich schnell voran. Im unteren Bereich schlängelte sich der Weg durch eine trockene Savannenlandschaft und wies bis zum Keswic Dam keine nennenswerte Steigung auf.

Als ich den kleinen Staudamm schon nach kurzer Fahrt erreichte, wurde ich übermütig. Ich entschloß mich nicht auf dem ausgebauten Weg zu bleiben. Statt dessen nahm ich einen unbefestigten Pfad entlang des Ufers. Dieser sah auf der Karte wie eine Abkürzung aus. Und selbst wenn er das nicht war, müßte ich nicht den Hügel hinauf strampeln, den sich der Hauptweg hinter dem Damm hinan schlängelte. Was ich dabei nicht bedachte: ich war nicht mit einem Mountainbike unterwegs. Das etwas schwerfälligen und nicht ganz leichte Damenrad war wenig für den Offroad-Einsatz geeignet. Deshalb hat mich diese Abkürzung einiges an Schweiß und zusätzlicher Fahrzeit gekostet. Ich durfte nämlich immer wieder absteigen und am Ende das Rad dann doch noch eine kleine Anhöhe hinauf schieben.

Sacramento Trail - 5 © Knut Hildebrandt

Damit war dann aber auch das gröbste geschafft. Vorerst zumindest. Ganz entspannt radelte ich ich in sanft geschwungenen Kurven eine weitere Steigung hinauf. Dann ging es fast nur noch bergab. Auch folgte der Weg nun ziemlich genau dem Flußlauf. Das war allerdings nicht der einzige Unterschied zum ersten Teil der Radroute. Zwischen den beiden Staudämmen wirkte alles viel grüner. Und immer wieder boten sich tolle Blicke über den Sacramento.

Kurz vor drei und nach gut vier Stunden auf dem Rad tauchte endlich der Shasta Staudamm auf. Mehr als 180 Meter erhebt sich die Staumauer über den Fluß. Und diese 180 Meter hieß es jetzt hinauf strampeln, denn ich wollte über den Damm und und am westlichen Ufers des Sacramento zurück in die Stadt fahren.

Sacramento Trail - 6 Shasta Lake – © Knut Hildebrandt

Was ich mir da vorgenommen hatte wurde mir klar, als ich die ersten zwei Serpentinen der kleinen Straße zur Krone der Talsperre hinter mir hatte. Die Sonne war brütend heiß. Und selbst im kleinsten Gang hatte ich ziemlich mit der Steigung zu kämpfen. Wie schön, daß ich da schon ein Viertel des Weges hinauf geschafft hatte.

Als ich endlich an der Zufahrt zum Damm ankam, war ich schweißgebadet. Noch völlig außer Atem fragte ich den dort Wache haltenden Polizisten nach Rückfahrmöglichkeiten. Er empfahl mir die gleiche Route zu nehmen, die ich gekommen war. Die Wege auf der anderen Flußseite seien alle nicht ausgebaut, erklärte er. Was das hieß, hatte ich ja schon auf dem kurzen Stück hinter dem Keswic Damm erfahren. Sollte ich mir das wirklich noch einmal antun?

Sacramento Trail - 8 Shasta Dam – © Knut Hildebrandt

Die Entscheidung darüber wollte ich mir bis nach der Überquerung des Damms aufsparen. Auf der anderen Seite gab es ein Besucherzentrum und ich hoffte in diesem noch einige erhellende Informationen zu bekommen. Doch so lange mußte ich gar nicht warten. In der Mitte des Damms fiel mir auf, daß der vordere Reifen Luft verlor. Ich schaffte es gerade mal bis zum Visitors Center, bevor er völlig platt war.

Die Sache hatte aber auch ihre gute Seite. Nun brauchte ich mir keine Gedanken mehr über die Rückfahrt zu machen. Ich rief Ed an, der mich abholen kam. Und zur Belohnung für die Strapazen hielt er noch an einer Stelle, von der sich ein spektakulärer Blick über Damm und Stausee hinweg auf den dahinter in den Himmel ragenden Mount Shasta bot. Diesen hätte ich ohne die Panne sicher verpaßt.

Greyhound

Es stimmt schon wenn es heiß, in den Staaten kommt nur gut herum, wer ein eigenes Auto hat. Vor allem kleinere Orte oder entlegenere Gegenden erreicht man kaum ohne ein solches. Selbst entlang der I-5, welche zwischen kanadischer und der mexikanischer Grenze alle großen Städte an der Westküste verbindet, kann man nicht jeden Ort ohne Problem mit dem Bus erreichen. Es gibt nur wenige Unternehmen, die überhaupt längere Strecken bedienen. Und das tun sie dann auch nur zwei oder drei Mal am Tag.

Greyhound - 1 © Knut Hildebrandt

Allen bekannt dürften die silbernen Greyhound Busse sein. Sie galten lange Zeit als das Symbol für das Reisen in Amerika. Wer hat nicht schon mal in einem alten amerikanischen Film gesehen, wie eines dieser elegant wirkenden Gefährte einen imposanten Busbahnhof veräßt? Heutzutage sehen die Busse nicht nur anders aus als in den alten Tagen. Sie werden auch nur noch von wenigen genutzt. Eine Freundin meinte, mit dem Bus fahren nur Menschen, die kein Geld haben. Und dem entsprechend sieht auch der Service aus.

In Eugene war das Terminal nicht mehr als eine Tordurchfahrt mit angeschlossenem Wartesaal. Alles wirkte ziemlich abgenutzt und strahlte den Charme des Busbahnhofs eines mexikanischen Provinznests aus. Auch erinnerten meine Mitreisenden nicht im Entferntesten an das junge, hippe Studentenvolk, das Eugenes Straßen bevölkert. Der einzige im Saal mit guter Laune schien der Typ hinter dem Ticketschalter zu sein. In einem Fort texte er die Leute zu und riss Witze. Für jeden hatte er einen flotten Spruch auf Lager. Mich lobte er zur Belustigung aller dafür, daß ich in der Lage war mein Ticket richtig auszudrucken. Und das mit einem Zungenschlag, der es mir schwer fallen ließ, ihn überhaupt zu verstehen.

Greyhound - 3 © Knut Hildebrandt

Der Bus enttäuschte nicht weniger als das Terminal. Von der Eleganz vergangener Tage war nichts mehr zu verspüren. Zwar bog keiner der Busse aus den alten Filmen in die Toreinfahrt ein, seine besten Tage hatte dieser allerdings auch schon vor langer Zeit gesehen. In Mexiko hätte er gut und gerne einen Zweite-Klasse-Bus abgegeben können. Auch trotz des zum Teil erheblichen Sparpotentials gegenüber den besseren Buslinien fahre ich dort aber kaum noch zweite Klasse. Die oftmals von den anderen Linien ausgemusterten Gefährte sind nämlich nicht wirklich zuverlässig und brechen gerne mal auf der Strecke zusammen. Ich hoffe, daß Greyhound zumindest in diesem Punkt etwas besser als die billigen Mexikaner abschneidet.

Was mir ebenfalls nicht so wirkliche passen wollte war der Umstand, daß es keine Nachtbusse gibt. Im besten Fall konnte ich am frühen Morgen abfahren oder spät am Abend ankommen. Die sieben Stunden Fahrt einfach des nachts im Bus durch zu schlafen war leider nicht möglich. Ich zog es dann vor, zu einiger Maßen angenehmer Zeit am späten Vormittag die Reise anzutreten. Und das sollte sich als glücklicher Umstand heraus stellen. Denn so verschlief ich nicht die atemberaubende Landschaft, durch die wir gen Süden fuhren.

Greyhound - 4 © Knut Hildebrandt

Um so weiter wir uns in Richtung Kalifornien vor arbeiteten, umso mehr erinnerte mich alles an Mexiko. Der Highway schlängelte sich entlang endloser Flußtäler durch die Berge. Nicht selten teilte er sich. Während eine Spur sich nah am Fluß an den Berg schmiegte, zog sich die andere Dutzende Meter weiter oben ihn entlang. Mit jedem gefahrenen Kilometer wurde die Landschaft trockener. Und irgendwann tauchte am Horizont ein schneebedeckter Kegel auf, Mount Shasta, der einem ganzen County, mehreren Orten und nicht zuletzt einem riesigen Staudamm seinen Namen gab. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Ziel. Redding lag gerade mal fünfzig Meilen südlich des Vulkans.