Zwischen See und Feuerberg

„Fuego y Agua – Feuer und Wasser“ nennt sich der Ultramarathon, welcher Mitte Februar wieder hunderte Extremsportler auf die Isla de Ometepe gelockt hat. Die Härtesten unter ihnen absolvierten einen Hundert-Kilometerlauf. Dieser ließ sie nicht nur die komplette Insel einmal umrunden, sondern auch die Gipfel der Vulkane Concepcíon und Madera erklimmen.

Concepción Concepción – © Knut Hildebrandt

Doch auch die Teilnehmer des Marathon, welche nur eine Teilstrecke des Rundkurses absolvierten, wurden vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt. Der Lauf führte sie über sandige Strände und durch staubige Vulkanasche. Sie rannten durch Bananen- und Kakaoplantagen sowie die immer feuchten tropischen Nebelwälder an den Hängen der Vulkane. Und das alles bei Temperaturen, die einem das Blut in den Adern zum Kochen bringen.

Man muss aber nicht Marathonläufer sein und die Extreme lieben, um auf Ometepe ein paar interessante Tage zu verbringen. Die Insel im Lago de Nicaragua bietet für jeden Geschmack etwas. Badefreunde finden ausgedehnte, ruhige Strände aus dem schwarzen Sand des Vulkangesteins. Und am Playa Santo Domingo können sie sich sogar in der Karibik wähnen. Weißer Sand, gemütliche Strandbars und kleine Hotels laden dazu ein, hier ein paar Tage zu verweilen.

Nun bin ich weder Strandtyp noch Hochleistungssportler. Trotzdem hat es mich auf die Insel gezogen. Denn an und um die beiden Vulkane warten die verschiedensten Aktivitäten auf großstadtmüde Abenteurer. Die jeweils rund vierzig Kilometer lange Radtour um Concepcíon und Madera ist auch von Freizeitsportlern zu meistern. Ein früher Start und ausreichende Wasservorräte vorausgesetzt, ist die Rundfahrt jeweils gut an einem Tag zu schaffen.

Landstraße © Knut Hildebrandt

Aber auch die Vulkane selbst lohnen die Reise über den Lago de Nicaragua. Beide lassen sich innerhalb eines Tages besteigen. Vom Concepcíon ergeben sich bei günstigem Wetter dann spektakuläre Ausblicke über die Insel und den See.

Der Madera ist ein ideales Ziel für Ökotouristen. Ein Großteil der südöstlichen Inselhälfte, über welcher er sich erhebt, ist Naturreservat. Ausgedehnte Wanderwege laden dazu ein, dieses zu durchstreifen.

Direkt am Fuße des Madera existiert auch eine ideale Basis, um diesen Teil der Insel zu Fuß oder per Rad zu erkunden. Versteckt in einer Bananenplantage liegt hier die Finca Zopilote. Im Schatten riesiger Bäume bieten ein knappes Dutzend Holzhütten günstige Unterkunft. Hängematten laden zum Verweilen vor der Gemeinschaftsküche ein. Dort lernte ich auch Joe aus England und Amit aus Israel kennen.

Am Fuße des Madera Am Fuße des Madera – © Knut Hildebrandt

Schnell vergeht die Zeit beim Kaffee trinken und Schwatzen mit den beiden. Zu schnell für die wenigen Tage, die mir auf Ometepe noch verbleiben. Um nicht am Ende nur dieses kleine Paradies gesehen zu haben, beschließen wir gemeinsam den Madera zu besteigen.

Mit den ersten Strahlen der Morgensonne wollten wir starten. Jose Luis, unser Guide, wartet auch schon ungeduldig seit sechs vor der Küche auf uns. Doch bevor es losgehen kann gibt es noch tausend Dinge zu erledigen. Der Morgenkaffee muss gebrüht und geschlürft, die Wasserflasche noch schnell aufgefüllt werden. Als wir endlich aufbrechen, steht die Sonne schon weit über dem Horizont.

Die erste Stunde Fußmarsch führt uns durch Maisfelder und Bananenplantagen. Sie ist leider nicht so angenehm, wie erhofft. Wegen der sich schnell aufbauenden Hitze kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Besser wird es, als der Pfad am Fuß des Vulkans im Wald verschwindet. Im Schatten der riesigen Bäume wandert es sich völlig entspannt die leichte Steigung hinan.

Im Nebelwald Im Nebelwald – © Knut Hildebrandt

Hier im Wald sind wir von den merkwürdigsten Geräuschen umgeben. Fast beängstigend schlägt uns das Geschrei von Brüllaffen entgegen. Hoch über uns hangelt sich eine Gruppe durch das grüne Blätterdach. Um uns herum zirpen tausende Grillen gegen das Gezeter der Affen an. Unterstützt werden sie durch den exotischen Gesang mir unbekannter Vögel.

Plötzlich stoppt Jose Luis vor einem Baum. Mit seiner Machete zeigt er auf einen dünnen, giftgrünen Zweig, welcher sich langsam unseren Blicken zu entziehen versucht. Das was Jose im Vorbeigehen zwischen den Blättern des Baums erspäht hatte ist kein Ast. Es ist eine tödlich giftige Schlange.

Nach gut einer Stunden Wandern stehen wir vor einer dichten Nebelwand. Als wir diese durchschreiten, finden wir uns in einem Märchenwald wieder. Der Blick reicht keine zehn Meter weit. Aus den Nebelschwaden winken mir urige Fabelwesen entgegen. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich in ihnen Bäume. In feuchte Pelze aus Moos gehüllt tragen sie lange, grüne Bärte aus Flechten.

Am Kratersee Am Kratersee – © Knut Hildebrandt

Mit einem Mal ist auch kein Geräusch mehr zu hören. Affen, Vögel und Zikaden sind verstummt. Nur ein unheimliches Pfeifen ist zu vernehmen, wenn der Wind leise durch die Baumwipfel streift. Schüttelt er diese zu sehr, regnen kalte Schauer auf uns herab.

Schon bald ähnelt der Weg einem schlammigen Flussbett. Wurzeln und Geröll sind so glatt, dass wir kaum mehr voran kommen. Jose Luis weicht deshalb immer wieder in den Wald aus. Doch auch zwischen den Bäumen ist das Laufen nicht einfach. Auf dem mit Wasser voll gesogenem Waldboden, versinken wir bis über die Knöchel im Morast.

Gut vier Stunden nach dem Abmarsch von der Finca Zopilote ist es geschafft. Wir stehen am Ufer eines sich im Krater verbergenden See. Anfangs kann man diesen nur erahnen. Eine dichte Nebelwand entzieht ihn dem Blick. Doch während wir uns zum Picknick niederlassen und die mitgebrachten Leckereien auspacken, hebt sich langsam der Nebel. Nach und nach gibt er den Blick auf den See und die gegenüberliegende Kraterwand frei. Bin ich froh diesen Anblick in Ruhe genießen zu können und nicht, wie die Marathonläufer, sofort zur Besteigung des Concepción weiter hetzen zu müssen.