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Ein Mißverständnis kommt selten allein

Manchmal kann ein Mißverständnis der Ausgangspunkt für richtig tolle Begegnungen sein. Ich weiß nicht mehr genau, was mir Franky in jener Nacht vor dem Platzhaus auf dem Helmi erzählt hatte. Wir haben viel über Trekkingtouren, Reiserouten und Unterkünfte geredet. Zum Chã das Calderas standen auf meinem Notizzettel: Kneipe, Ramiro und in Klammern Fidel. Daraus habe ich haarscharf geschlossen, daß ich in besagter Lokalität einen Fidel nach Unterkunft fragen sollte und ließ mich deshalb vom Fahrer des Aluguers dort absetzen.

Bildstrecke Chã das Caldeiras Bildserie „Chã das Caldeiras“ – © Knut Hildebrandt

Im Casa Ramiro war man nicht wenig erstaunt über mein Anliegen, hier übernachten zu wollen. Auch einen Fidel kannte man dort nicht und an Frank konnte sich niemand so recht erinnern. Aber ein Zimmer hätten sie trotzdem für mich, wenn ich mit Kerzen- statt elektrischem Licht und Duschwasser aus dem Eimer leben könne. Das konnte ich sehr wohl. Das Zimmer war sauber und nett eingerichtet. Da hatte ich schon weitaus spartanischer übernachtet. Und bei Ramiro unterzukommen, war wirklich etwas besonderes. Ich wurde regelrecht in die Familie aufgenommen.

Später am Abend, als in der Kneipe aufgespielt wurde, erfuhr ich dann auch, daß Ramiro der quirlige Typ mit der Geige war, der den kleinen Saal zum Brodeln brachte. So klärte sich am Ende mein Irrtum doch noch auf. Er sollte allerdings nicht der einzige für diesen Tag bleiben.

Bildstrecke Ramiros Hof Bildserie „Casa Ramiro“ – © Knut Hildebrandt

Nach dem viel zu frühen Ende des Konzertes verabschiedeten sich die Musiker einzeln von den noch wenigen verbliebenen Gästen. Dabei meinte der Trommler zu mir, daß sie in einer Herberge, am anderen Ende des Dorfes weiter spielen werden. Ich dachte, daß dort das kleine Konzert fortgesetzt wird und fragte, ob ich mitkommen könne. Also wurde ich mit dem Rest der Bande auf die Ladefläche eines Pickup gesetzt und zum Casa Monte Amarelo gefahren.

Merkwürdig war nur, daß es dort keinen Platz zum Spielen gab. Statt dessen hatte man eine lange Tafel festlich eingedeckt. Da schwante mir Böses. Und so kam es dann auch. Nach einem kurzen Ständchen auf der Veranda wurde zu Tisch gebeten.

Bildstrecke Ramiro Bildserie „Ramiro“ – © Knut Hildebrandt

Jetzt erfuhr ich auch, daß ich auf einem Abschiedsessen war. Und die zu Verabschiedenden konnten eigentlich nur die beiden anderen Bleichgesichter am Tisch sein. Das waren Claudia und ihr Mann, zwei Österreicher, die seit Jahren regelmäßig in den Chã kommen und hier soziale Projekte unterstützen. Darüber sprachen wir allerdings erst später. Anfangs saß ich etwas verloren herum, während alle anderen munter auf portugiesisch plauderten und sich dabei köstlich amüsierten.

So richtig lustig wurde es nach dem Essen. Ramiro holte die Fidel hervor und spielte auf. Mit ihm musizierten unter anderem sein Sohn David und der Herr Papa, ein lustiger Alter, mit großartiger Stimme. So wurde mein erster Abend im Chã das Calderas zu einem unvergeßlichen Erlebnis.

In the Wild West

Stagecoach Wild West – Historische Postkutsche in Redding – © Knut Hildebrandt

Vor ein paar Tagen bin ich im Wilden Westen angekommen. Oder sollte ich lieber wie Ed vom Goldenen Westen sprechen. Denn hier bin ich im Land der Goldgräber. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zog es während des großen Goldrauschs Tausende nach Nordkalifornien. Hier versuchten sie ihr Glück zu machen. In der Gegend um Redding wird man aller Orten mit diesem Teil der amerikanischen Geschichte konfrontiert.

So zum Beispiel in Old Shasta. Der kleine Ort liegt an der alten Postkutschenroute Richtung Westen und war lange Zeit Verwaltungszentrum von Shasta County. Als nur wenige Kilometer entfernt die Eisenbahn durch Redding und dort ein Bahnhof gebaut wurden, zogen die Händler, das Hotel und viele Bewohner hinunter ins Tal. Nur wenige blieben. Heute erinnern nur noch ein kleines Museum, der General Store und eine alte Schmiede an die glorreichen Zeiten. Als vor enigen Jahren die langsam verfallenden Fassaden einzustürzen drohten, sicherte man diese und baute den hölzernen Gehweg – Boardwalk – wieder auf. Old Shasta gleicht jetzt ein großes Freiluftmuseum.

Bildstrecke Old Shasta Bildserie Old Shasta – © Knut Hildebrandt

Ein anderes Schicksal ereilte Weaverville. Die Sägemühle am Ortseingang rettete das kleine Städtchen vor dem Verfall. In den Läden entlang der Hauptstraße decken sich allerdings schon lange nicht mehr Goldgräber und Holzfäller mit Proviant ein. In diese sind Cafés und kleine Galerien eingezogen. Nicht wenige der auf Highway 299 Richtung Westen reisenden machen in Weaverville Halt. Und viele nehmen sich dann auch etwas Zeit für einen Besuch des Bergbaumuseums oder des chinesischen Tempels. Wer darüber die Weiterfahrt vergessen hat, kann im Hotel gegenüber dem Courthouse eine Nacht wie in lang vergangenen Westentagen verbringen.

Abgesehen vom Goldrausch und den sich um ihn rankenden Geschichten entsprechen Redding und die angrenzenden Countys auch sonst vielen Klischees vom weiten Westen. Die Stadt liegt in einem ausgedehnten Tal und ist durch eine Bergkette vom Pazifik getrennt. Hier scheint man Platz zu haben und nutzt diesen auch. Fast jede Straße in der Hunderttausend-Einwohner-Stadt ist so breit wie in Berlin die großen Boulevards. Auf bis zu drei Spuren schieben sich in einem Fort Autos durch die Stadt. Und auf ein Auto ist man hier angewiesen. Nur um ein Bier zu kaufen kann man locker mal ein bis zwei Kilometer unterwegs sein. Und Alice, Eds Freundin, wohnt knappe zehn Meilen von der Innenstadt entfernt. Für hiesige Verhältnisse ist das gleich um die Ecke.

Bildstrecke Weaverville Bildserie Weaverville – © Knut Hildebrandt

An dieser Stelle muß ich meine liebenswürdigen Gastgeber in Redding kurz vorstellen. Ed ist der Vater eines amerikanischen Freundes aus Berlin. Ed und seine Lebenspartnerin Alice haben mich in ihr Haus aufgenommen, als sei ich ihr eigener Sohn. Nur ihnen habe ich zu verdanken, daß ich hier so viel sehe und erlebe. Die beiden sind mit mir die vierzig Meilen bis Weaverville gefahren. Und Ed kutschiert mich fast jeden Tag zu einer weiteren Sehenswürdigkeit in und um Redding.

So zeigte er mir zum Beispiel die Sundial Bridge, eine futuristisch aussehende Fußgängerbrücke über den Sacramento. Und er lies es sich auch nicht nehmen mir dann noch eine Tour durch das exzellente Museum im angrenzenden Turtle Bay Exploration Park zu geben. Dort sahen wir unter anderem eine sehr schöne Ausstellung über das Sündenbabel „Wilder Westen“, die auch Ed noch nicht kannte. Einen ganzen Saal hatte man in Saloons, Spielhöllen und Bordelle verwandelt. Videos und Schaukästen berichteten eindrucksvoll davon, wie es damals zuging im heute recht puritanischen Amerika.

Bildstrecke French Gulch Bildserie French Gulch – © Knut Hildebrandt

Das war aber nicht die einzige Entdeckung für Ed und mich. In French Gulch, einem weiteren Städtchen in dem in alten Zeiten die Postkutschen Halt machten, wurden wir in eine Bar gewunken. Der Pub glich einem Museum. Sein Besitzer hatte hunderte Exponate aus der Geschichte des Ortes zusammen getragen. An den Wänden hingen Dutzende Gewehre und Pistolen, unter ihnen viele alte Winchester und Colts. So etwas hatte selbst Ed noch nicht gesehen. Auch der Barkeeper konnte als Teil der Ausstellung durchgehen. Der Typ hatte früher als Holzfäller gearbeitet und konnte mit unzähligen Geschichten aufwarten. Viele drehten sich die um zur Schau gestellten Waffen. Das Erstaunlichste war aber, weder er noch sein Kumpel wollte glauben, daß ich keine Waffen besitze noch Leute kenne, die welche haben. Das gibt es hier im Wilden Westen nicht.