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Fliegen in Afrika – ein Abenteuer für sich

Es ist geschafft, ich bin auf Fogo angekommen. Aber fragt nicht wie. Obwohl es nur zwei kurze Flüge von Sal nach Fogo sind, war ich am Ende ziemlich geschafft. Auf dem Flughafen von Sal kam ich viel zu früh an; nicht nur die eineinhalb Stunden vor Abflug, die mir das Reisebüro empfohlen hatte, sondern sogar noch eine halbe Stunde eher. Als ich dann endlich das Büro der Charterlinie gefunden hatte, hieß es dort ich solle mich 45 Minuten vor Abflug noch mal melden. Aber zumindest gab es schon mal eine Art Bordkarte. Das stimmte hoffnungsvoll.

Bildstrecke Überfahrt Bildserie „Überfahrt nach Santo Antão“ – © Knut Hildebrandt

Pünktlich, wie ich nun mal bin, stand ich rechtzeitig wieder im Büro. Dort hieß es allerdings, ich müsse mich noch etwas gedulden. Man würde uns aufrufen, wenn es soweit ist. Uns bedeutete in diesem Falle einen kapverdischen Hauptmann und mich. Sollten wir denn die einzigen Fluggäste sein?

Waren wir natürlich nicht. Erst einmal tauchte eine Gruppe laut schnatternder Chinesen auf. Diese hatten offensichtlich beim Buchen nicht richtig zugehört. Denn anstatt sich bei der Fluggesellschaft zu melden stritten sie sich mit dem Sicherheitspersonal herum. Sie waren ja schon spät dran und wollten schnell zum Einchecken weiter. Erst nach längerer Diskussion und einigen Irritationen ließen sie sich davon überzeugen, vorher den Papierkram im Büro zu erledigen.

Bildstrecke Ponta do Sol Bildserie „Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Dann schien es endlich los zu gehen. Zumindest stand die nette Dame hinter ihrem Computer auf und spazierte mit uns im Gefolge in die Abfertigungshalle. Hier wurde ihr noch kurz erklärt, wie das Laufband funktioniert und dann ließ sie unser Gepäck nach und nach hinter einer kleinen Tür verschwinden.

Gut zehn Leute einzuchecken kann nicht ewig dauern. Also beschloß ich ganz ruhig zu bleiben und nicht ständig an die knappe Umsteigezeit in Praia zu denken. Aber offensichtlich schien noch jemand wichtiges zu fehlen. Denn unsere Begleiterin schaute mit nervösem Blick in Richtung Eingang der Abfertigungshalle. Dort tauchten dann nach einer Weile zwei ältere Herren auf. Als auch diese verarztet waren, hätte es meiner Meinung nach endlich losgehen können. Doch plötzlich war unser Hauptmann verschwunden. Während dieser wieder eingesammelt wurde, verschwand ich – nun schon reichlich nervös – noch einmal kurz um die Ecke.

Bildstrecke Hafen Bildserie „Im Hafen von Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Als ich keine zwei Minuten später zurück kam, hatten alle bereits ihre Koffer in der Hand. Langsam marschierte der Trupp durch das, was eigentlich hätte die Sicherheitskontrolle sein müssen. Nur daß dort weder jemand saß, der den Check hätte machen können, noch die dazu nötige Maschinerie angeschaltet war. So gelangten wir völlig unkontrolliert in den letzten Warteraum und ich hoffte, daß es nun endlich an Bord geht. Aber weit gefehlt, denn der Flugkapitän fehlte noch. Dieser kam einige Minuten später in aller Ruhe um die Ecke geschlendert und spazierte wenige Meter vor uns über das Rollfeld der Maschine entgegen.

Ich bin nicht nur einmal in meinem Leben geflogen. Aber einer solchen Kaffemühle hatte ich mich dabei noch nie anvertraut. Achtzehn Plätze habe ich gezählt, gerade mal genug, um uns alle unterzubringen. Ich setzte mich ganz vorne hin, da ich von dort dem Piloten besser über die Schulter schauen konnte. Es gab nämlich keine eine Tür zwischen der Kanzel und den Fluggastraum. Das schaffte genauso Vertrauen, wie der Umstand, daß dem Piloten erst einmal eine Sonnenblende abbrach, als er sie einstellen wollte.

Bildstrecke Pico do Fogo Bildserie „Pico do Fogo“ – © Knut Hildebrandt

Nachdem dann endlich alle Türen geschlossen waren, warf der Kapitän die Motoren an, schloß das Fenster, aus dem er bis dahin noch lässig den Arm hatte hängen lassen und brachte die Propeller auf Touren. Dann ging es los und wenige Minuten später schwebten wir über dem Ozean. So richtig genießen konnte ich den Flug leider nicht. Irgendwie wollte mir mein knapper Anschluß in Praia nicht aus dem Kopf gehen. Blöd eigentlich, denn ändern konnte ich ja doch nichts.

Als wir in Praia ankamen, wollte ich mein Gepäck sofort am Flugzeug in Empfang nehmen. Schließlich hatten in der Maschine weniger Passagiere gesessen als in einem üblichen Reisebus. Und bei dem ist das ja auch kein Problem. Anders auf dem Flughafen von Praia. Selbst als ich erklärte, daß ich unbedingt den Flug nach Fogo schaffen müsse, hieß es dort, daß dies nicht möglich sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, versuchte mich die nette Dame von der Fluggesellschaft zu beruhigen. Das Boarding der Maschine nach Fogo hatte noch nicht begonnen. Dase klang ungemein beruhigend.

Bildstrecke Vulkanbesteigung Bildserie „Vulkanbesteigung“ – © Knut Hildebrandt

Um nicht weiter sinnlos Zeit zu verlieren, ließ ich Rucksack erst einmal Rucksack sein und flitzte los, das Büro der TACV zu suchen. Als ich dort erklärte, ich hätte ein Ticket für den nächsten Flug nach Fogo, schaute man mich nur mit großen Augen an. Der Flug sei bereits geschlossen, meinte die Frau hinter dem Schalter. Aber schließlich waren wir in Afrika und das Motto auf den Kapverden ist „No Stress“. Also nahm sie meine Buchungsbestätigung entgegen und stellte mir in aller Seelenruhe eine Bordkarte aus. Währenddessen rannte ichnschnell noch mal los, um meinen Rucksack einzusammeln.

Am Ende wurde ich für das ganze Theater ausreichend entschädigt. Im Reiseführer hieß es nämlich, man müsse beim Anflug auf Fogo wegen des beeindruckenden Blicks auf den Vulkan auf der rechten Seite der Maschine sitzen. Bei all dem Streß hatte ich natürlich keinen Nerv dafür gehabt, mich auch noch darum zu kümmern. Nun hielt ich eine Bordkarte für den Sitz 3D in der Hand; kurz hinter der Kanzel, am rechten Fenster. Besser konnte ich kaum sitzen. Denn so weit vorne versperren nicht einmal die Tragflächen den Blick auf den Vulkan. Nur hätte ich diesen noch mehr genießen können, wenn öfter mal die Fenster geputzt werden würden.

Hommage an eine bezaubernde Stadt

Lissabon ist eine der schönsten Städte, die ich je besucht habe. Sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Man könnte fast von Liebe auf den ersten Blick sprechen. Was mich schon immer für einen Ort eingenommen hat, ist wenn er diesen morbiden Charme des Verfalls hat. Und Lissabon atmet ihn in all seinen engen Straßen, verwinkelten Gassen sowie den vielen kleinen Plätzen und Höfen, die urplötzlich hinter einer Straßenbiegung oder einem Torbogen auftauchen.

Bildstrecke Altstadt-Gassen Bildserie „Altstadtgassen“ – © Knut Hildebrandt

Das soll jetzt nicht heißen, daß die Stadt herunter gekommen wirke. Ganz im Gegenteil. Es gibt viele aufgehübschte Ecken. Aber allerorten stehen neben fein säuberlich restaurierten Bürgerhäusern halb verfallene Ruinen oder nur notdürftig abgestützte Fassaden, denen über die Jahre das Innenleben abhanden gekommen ist. An vielen der alten Häuser bröckelt der Putz und von ihren Türen und Fenstern blättert die Farbe ab. Und trotzdem strahlen sie Leben aus. Sei es die im Wind flatternde Wäsche, die vor vielen Fenstern zum Trocknen hängt und den teils schon ergrauten Fassaden einen extra Farbtupfer verleiht oder die alte Omi, die von ihrem Logenplatz auf der Fensterbank das Treiben auf der Straße verfolgt, man spürt eine Fülle an Leben, das sich hinter den Mauern verbirgt.

Aber das Leben der Lissaboner spielt sich nicht nur in den eigenen vier Wänden ab. Auf den Plätzen, vor den kleinen Cafés am Straßenrand oder auf einer Bank im Park, überall sieht man junge aber auch viele ältere Menschen sitzen, eine Kaffee schlürfen, ein Bierchen zischen, Karten spielen oder nur einen Plausch halten. Da verspürte ich sofort Lust mich dazu zu setzen, einen Augenblick zu verweilen, vielleicht in einem Buch oder einer Zeitung zu blättern oder mich mit dem Tischnachbarn ein wenig zu unterhalten.

Bildstrecke Straßenszenen Bildserie „Straßenszenen“ – © Knut Hildebrandt

Doch leider hatte ich dafür nicht die Zeit. Letztendlich waren wir nur drei, viel zu kurze, Tage in der Stadt. Das war aber nicht von Anfang an klar. Eigentlich haben wir hier nur fest gemacht, weil wir auf günstigere Winde warten mußten. Und diese ließen auf sich warten. Von Tag zu Tag wurde die Abfahrt zu meiner großen Freude weiter nach hinten verschoben. Leider sickerte diese Neuigkeit immer erst kurz vor der geplanten Abfahrt durch, sodaß es nicht leicht fiel einen Plan für die Erkundung der Stadt zu machen.

Umso glücklicher war ich, als es dann hieß, daß wir doch noch den halben Sonntag in Lissabon sein werden. Ich schnappte mir früh die Kamera, packte zwei Äpfel als Wegzehrung ein und stürmte zur Straßenbahn um mich von dieser ins Zentrum, zur Praca de Comércio bringen zu lassen. Von dort brach ich zu meiner Erkundungsreise in die verwinkelten Gassen von Alfama, über denen die alte Festung thront, auf.

Bildstrecke Praça de Comércio Bildserie „Praca de Comércio“ – © Knut Hildebrandt

Anfangs folgte ich noch den sich den Berg hinauf schlängelnden Straßen. Doch schon bald nahm ich Abkürzungen durch verwinkelte Gassen und strebte über ausgetretene Steintreppen weiter meinem Ziel, dem Castelo de S. Jorge, entgegen. Stundenlang hätte ich so herum streifen können. Hinter jeder Ecke tauchte eine neue Überraschung auf. Mal war es ein Gesicht auf einer Mauer, aus dessen aufgerissenem Mund sich ein feiner Wasserstrahl in ein darunter befindende Steinbecken ergoß. An anderer Stelle forderte ein in die Hauswand eingelassenes Heiligenbild aus Keramik meine Aufmerksamkeit. Auf Schritt und Tritt gab es Dinge zu entdecken; überlebensgroße Graffiti, Blumenkübel aus denen mir Plastikblüten entgegen sprießten, Kuscheltieren die sich an Fensterscheiben schmiegten oder die Auslagen diverser interessanter Geschäfte. Zum Teil fühlte ich mich beim Anschauen dieser in lang vergangene Zeiten zurück versetzt.

Ganz besonders faszinierten mich die alten Straßenbahnen. Auch diese schienen einem anderen Zeitalter entsprungen zu sein. Großzügig geschätzt würde ich sagen, daß sie hundert Jahre auf dem Buckel hatten. Und wenn nicht diese, dann aber bestimmt weit mehr als fünfzig. Auf jeden Fall hätten sie gut in die Sammlung eines jeden Museums für historische Verkehrsmittel gepaßt. Aber anstatt auf dem Museumsparcourt bedächtige Runden zu drehen, ratterten sie in Lissabon die steilen Hügel hinauf und schoben sich mit lautem Gekreisch um die Ecken der engen Straßen.

Bildstrecke Straßenbahn Bildserie „Straßenbahnen“ – © Knut Hildebrandt

Eine ganz besondere Überraschung erwartete mich kurz bevor ich zurück zum Schiff eilen mußte. Mittlerweile machte sich der kleine Hunger bemerkbar und da ich die Lunchzeit auf dem Boot verpaßt hatte, schaute ich mich nach einem günstigem Platz zum Essen um. Vor einem kleinen Restaurant, das mir schon auf dem Weg zum Castelo ins Auge gefallen war, stand ein Pärchen und studierte die Karte. Etwas ungeduldig stand ich hinter ihnen und hoffte auch endlich einen Blick drauf werfen zu können. Fast wäre ich schon weiter gegangen, mir etwas anderes suchen, da drehten sich die beiden um und ein Aufschrei schallte durch die kleine Straße: „Knut, was machst Du denn hier?“ Vor mir standen Nadine und Thomas aka Kai-Uwe, zwei alte Freunde aus Berlin, die einen Tag zuvor für einen Kurzurlaub nach Portugal gekommen waren. Die Karte brauchte ich nun nicht mehr zu studieren. Wir sind gemeinsam in den Laden gegangen und haben ein unterhaltsames Mittagsmahl genossen.