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Nur eine gemütliche Wanderung

Eigentlich sollte es eine kleine, gemütliche Wanderung werden. Ansonsten hätte sich Renate wohl auch nicht entschieden, mitzukommen. Sie hatte ja schon zwei längere Touren mit mir absolviert und sprach stets davon, daß sie mal einen Tag aussetzen müsse.

Bildstrecke Rundwanderung Bildserie „Rundwanderung“ – © Knut Hildebrandt

Unser Plan war von Coculi in Richtung Chã das Pedras zu laufen und dann in das Tal von Figueral hinüber zu wechseln, um dort den Rückweg nach Coculi anzutreten. Der nette Typ in meinem Hotel hatte beide Täler als wunderschön grün beschrieben. Er sagte auch, die Wanderung sei ohne Probleme in drei Stunden zu absolvieren, da sie vorwiegend über Straßen führe.

Also haben wir uns Zeit gelassen, gemütlich gefrühstückt und sind erst nach acht aus Ponta do Sol abgefahren. In Ribeira Grande ging es nach der üblichen Diskussion – der erste Fahrer wollte uns partout den Trip nach Coculi zum Taxipreis von 400 statt 50 p.P. verkaufen – ziemlich zügig weiter. Unser Chauffeur setzte uns sogar am richtigen Abzweig kurz hinter Coculi ab. So konnten wir das Seitental von Chã das Pedras nicht verpassen. Allerdings war uns nicht richtig klar, wann wir von ihm in das Tal von Figueiral hinüber wechseln mußten. Sicher war nur, daß wenn wir das Ende der Straße in Pia de Cima erreicht haben, zu weit gelaufen sein werden.

Und wie sollte es auch anders sein, im Handumdrehen war wir in Pia. Hier gab es eine kurze Diskussion, wie wir wohl weiter laufen wollen. Renate schlug dann vor, ich solle doch die Wanderung nach Lin‘ d‘ Corv und zurück über João Afonso nach Coculi machen. Beiden Routen wurden als sehr schön, aber auch anspruchsvoll beschrieben. Ein Blick in den Wanderführer zeigte, daß mir wohl sieben Stunden Weg bevor standen. Da es aber erst elf war, startete ich einfach durch.

Bildstrecke Corva-Krater Bildserie „Corva-Krater“ – © Knut Hildebrandt

Anfangs ließ sich der Weg ziemlich gut zu finden. Er war einfach die Fortsetzung der Straße, die nach Pia de Cima geführt hatte. Zu großen Teilen war er auch gepflastert, sodaß ich gut voran kam. Nach etwas weniger als der in Renates Wanderführer angegebenen Zeit hatte ich das erste Etappenziel erreicht, einen kleinen Sattel auf dem ein einzelnes Haus stand. Eigentlich war klar, wie es von hier weiter geht, trotzdem fragte ich den Mann, der mir entgegen kam nach dem Weg. Wortreich bestätigte er, was ich vermutet hatte und schenkte mir zum Abschied zwei Apfelsinen.

War der Anstieg zum auf gut achthundert Meter gelegenen Sattel schon anstrengen, so hatte es der nun folgende richtig in sich. Weitere 300 Meter hieß es zu nehmen, um das Ziel der nächsten Etappe zu erreichen. In nicht enden wollenden Serpentinen zog sich ein schmaler Pfad den steil ansteigenden Kamm hinauf.

Kurz vor mir machte sich eine junge Frau mit ihrem etwa fünf Jahre altem Sohn auf den beschwerlichen Weg. Erstaunlicher Weise wollte es mir nicht leicht fallen, die beiden einzuholen. Und das, obwohl die Frau neben einem schweren Rucksack noch eine Einkauftüte in der Hand den Berg hinauf schleppte. Selbst dem Kleinen schien die Kletterei wenig auszumachen.

Bildstrecke Ribeira de Torre Bildserie „Ribeira de Torre“ – © Knut Hildebrandt

Endlich oben angekommen wollte ich mich erst einmal niederlassen und die weitere Route studieren. Laut Wanderführer sollte hier nämlich die erste knifflige Stelle kommen. Doch bevor ich überhaupt das Buch aufschlagen konnte, wurde mir von meiner Begleiterin schon der Weg gezeigt.

Danach wurde es dann allerdings kompliziert. Aufgrund einer nicht ganz eindeutigen Formulierung habe ich einen im Wanderführer beschriebenen Abzweig verpaßt. Das war eigentlich kein großes Problem. Denn schon bald traf ich Leute die sagten, ich würde auch auf dem eingeschlagenen Weg nach Lin‘ d‘ Corv kommen. Einziger Nachteil: dieser war erheblich länger, als der vorgeschlagene.

In Lin‘ d‘ Corv kam ich nach mehr als drei Stunden Fußmarsch, und eine knappe Stunde später als geplant, an. Da es aber erst halb drei war, entschloß ich mich trotz der Verspätung den Abstieg über João Afonso zu wagen. Ob ich nämlich an einem Samstag Nachmittag einen Aluguer zurück nach Ribeira Grande finden würde, wagte ich zu bezweifeln. Und ein Taxi hätte sicherlich gleich mehrere Tausender gekostet.

Bildstrecke Küstenweg Bildserie „Küstenweg“ – © Knut Hildebrandt

Also fragte ich gleich bei Ankunft im Dorf nach dem Weg Richtung Coculi. Ein netter Mann zeigte mir nicht nur den Paß bei Lombo de Pedra, den ich zu überqueren hatte. Er brachte mich dann auch noch bis zum richtigen Abzweig, damit ich diesen auch gar nicht verpasse.

Von da an war der Weg einfach zu finden. Ich hätte den Wanderführer gar nicht mehr gebraucht. Denn immer wenn ich ihn um etwas nachzuschlagen aus der Tasche zog, war schon jemand zur Stelle und zeigte mir den richtigen Weg. Einzig in Boa Ventura hätte ich eine kürzere Route wählen können. Ich wäre dann wieder in das Tal von Chã das Pedras hinab gestiegen und auf der staubigen Straße zurück nach Coculi gelaufen. Anfangs hatte ich mich ein wenig über den Umweg geärgert, doch am Ende war ich aber froh, ihn gemacht zu haben. So konnte ich nämlich noch den zweiten Teil unserer ursprünglichen Route absolvieren und wußte dann auch, wo wir hätten abzweigen müssen.

Fliegen in Afrika – ein Abenteuer für sich

Es ist geschafft, ich bin auf Fogo angekommen. Aber fragt nicht wie. Obwohl es nur zwei kurze Flüge von Sal nach Fogo sind, war ich am Ende ziemlich geschafft. Auf dem Flughafen von Sal kam ich viel zu früh an; nicht nur die eineinhalb Stunden vor Abflug, die mir das Reisebüro empfohlen hatte, sondern sogar noch eine halbe Stunde eher. Als ich dann endlich das Büro der Charterlinie gefunden hatte, hieß es dort ich solle mich 45 Minuten vor Abflug noch mal melden. Aber zumindest gab es schon mal eine Art Bordkarte. Das stimmte hoffnungsvoll.

Bildstrecke Überfahrt Bildserie „Überfahrt nach Santo Antão“ – © Knut Hildebrandt

Pünktlich, wie ich nun mal bin, stand ich rechtzeitig wieder im Büro. Dort hieß es allerdings, ich müsse mich noch etwas gedulden. Man würde uns aufrufen, wenn es soweit ist. Uns bedeutete in diesem Falle einen kapverdischen Hauptmann und mich. Sollten wir denn die einzigen Fluggäste sein?

Waren wir natürlich nicht. Erst einmal tauchte eine Gruppe laut schnatternder Chinesen auf. Diese hatten offensichtlich beim Buchen nicht richtig zugehört. Denn anstatt sich bei der Fluggesellschaft zu melden stritten sie sich mit dem Sicherheitspersonal herum. Sie waren ja schon spät dran und wollten schnell zum Einchecken weiter. Erst nach längerer Diskussion und einigen Irritationen ließen sie sich davon überzeugen, vorher den Papierkram im Büro zu erledigen.

Bildstrecke Ponta do Sol Bildserie „Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Dann schien es endlich los zu gehen. Zumindest stand die nette Dame hinter ihrem Computer auf und spazierte mit uns im Gefolge in die Abfertigungshalle. Hier wurde ihr noch kurz erklärt, wie das Laufband funktioniert und dann ließ sie unser Gepäck nach und nach hinter einer kleinen Tür verschwinden.

Gut zehn Leute einzuchecken kann nicht ewig dauern. Also beschloß ich ganz ruhig zu bleiben und nicht ständig an die knappe Umsteigezeit in Praia zu denken. Aber offensichtlich schien noch jemand wichtiges zu fehlen. Denn unsere Begleiterin schaute mit nervösem Blick in Richtung Eingang der Abfertigungshalle. Dort tauchten dann nach einer Weile zwei ältere Herren auf. Als auch diese verarztet waren, hätte es meiner Meinung nach endlich losgehen können. Doch plötzlich war unser Hauptmann verschwunden. Während dieser wieder eingesammelt wurde, verschwand ich – nun schon reichlich nervös – noch einmal kurz um die Ecke.

Bildstrecke Hafen Bildserie „Im Hafen von Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Als ich keine zwei Minuten später zurück kam, hatten alle bereits ihre Koffer in der Hand. Langsam marschierte der Trupp durch das, was eigentlich hätte die Sicherheitskontrolle sein müssen. Nur daß dort weder jemand saß, der den Check hätte machen können, noch die dazu nötige Maschinerie angeschaltet war. So gelangten wir völlig unkontrolliert in den letzten Warteraum und ich hoffte, daß es nun endlich an Bord geht. Aber weit gefehlt, denn der Flugkapitän fehlte noch. Dieser kam einige Minuten später in aller Ruhe um die Ecke geschlendert und spazierte wenige Meter vor uns über das Rollfeld der Maschine entgegen.

Ich bin nicht nur einmal in meinem Leben geflogen. Aber einer solchen Kaffemühle hatte ich mich dabei noch nie anvertraut. Achtzehn Plätze habe ich gezählt, gerade mal genug, um uns alle unterzubringen. Ich setzte mich ganz vorne hin, da ich von dort dem Piloten besser über die Schulter schauen konnte. Es gab nämlich keine eine Tür zwischen der Kanzel und den Fluggastraum. Das schaffte genauso Vertrauen, wie der Umstand, daß dem Piloten erst einmal eine Sonnenblende abbrach, als er sie einstellen wollte.

Bildstrecke Pico do Fogo Bildserie „Pico do Fogo“ – © Knut Hildebrandt

Nachdem dann endlich alle Türen geschlossen waren, warf der Kapitän die Motoren an, schloß das Fenster, aus dem er bis dahin noch lässig den Arm hatte hängen lassen und brachte die Propeller auf Touren. Dann ging es los und wenige Minuten später schwebten wir über dem Ozean. So richtig genießen konnte ich den Flug leider nicht. Irgendwie wollte mir mein knapper Anschluß in Praia nicht aus dem Kopf gehen. Blöd eigentlich, denn ändern konnte ich ja doch nichts.

Als wir in Praia ankamen, wollte ich mein Gepäck sofort am Flugzeug in Empfang nehmen. Schließlich hatten in der Maschine weniger Passagiere gesessen als in einem üblichen Reisebus. Und bei dem ist das ja auch kein Problem. Anders auf dem Flughafen von Praia. Selbst als ich erklärte, daß ich unbedingt den Flug nach Fogo schaffen müsse, hieß es dort, daß dies nicht möglich sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, versuchte mich die nette Dame von der Fluggesellschaft zu beruhigen. Das Boarding der Maschine nach Fogo hatte noch nicht begonnen. Dase klang ungemein beruhigend.

Bildstrecke Vulkanbesteigung Bildserie „Vulkanbesteigung“ – © Knut Hildebrandt

Um nicht weiter sinnlos Zeit zu verlieren, ließ ich Rucksack erst einmal Rucksack sein und flitzte los, das Büro der TACV zu suchen. Als ich dort erklärte, ich hätte ein Ticket für den nächsten Flug nach Fogo, schaute man mich nur mit großen Augen an. Der Flug sei bereits geschlossen, meinte die Frau hinter dem Schalter. Aber schließlich waren wir in Afrika und das Motto auf den Kapverden ist „No Stress“. Also nahm sie meine Buchungsbestätigung entgegen und stellte mir in aller Seelenruhe eine Bordkarte aus. Währenddessen rannte ichnschnell noch mal los, um meinen Rucksack einzusammeln.

Am Ende wurde ich für das ganze Theater ausreichend entschädigt. Im Reiseführer hieß es nämlich, man müsse beim Anflug auf Fogo wegen des beeindruckenden Blicks auf den Vulkan auf der rechten Seite der Maschine sitzen. Bei all dem Streß hatte ich natürlich keinen Nerv dafür gehabt, mich auch noch darum zu kümmern. Nun hielt ich eine Bordkarte für den Sitz 3D in der Hand; kurz hinter der Kanzel, am rechten Fenster. Besser konnte ich kaum sitzen. Denn so weit vorne versperren nicht einmal die Tragflächen den Blick auf den Vulkan. Nur hätte ich diesen noch mehr genießen können, wenn öfter mal die Fenster geputzt werden würden.