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Aluguer – reisen wie in die Einheimischen

Kinder - São Filipe© Knut Hildebrandt

Nicht nur das Fliegen ist auf den Kapverden ein Abenteuer. Jedes Mal wenn man sich den öffentlichen Verkehrsmitteln anvertraut muß mit Überraschungen gerechnet werden.

In São Filpe zu bleiben, war nicht mein Begehr. In den Chã das Caldeiras, einen eingestürzten Vulkankrater, sollte es gehen. Dort wollte ich wandern und Gipfel erstürmen. Sparfuchs der ich allerdings bin, kam für mich natürlich keine organisierten Tour für rund hundert Euro am Tag in Frage. Also habe mich auf den Weg zum Marktplatz und die Suche nach einem Aluguer – den hiesigen Sammeltaxis – gemacht. Wer allerdings so reisen möchte, muß eine gehörige Portion Geduld mitbringen.

Das Transportmittel war bald gefunden. Mit einem Gemisch aus Englisch, Spanisch und Portugiesisch hatten wir uns auch relativ schnell auf einen zugegebener maßen günstigen Fahrpreis geeinigt. Doch das hieß noch lange nicht, daß es jetzt auch los gehen würde. Denn ich war bislang der einzige Fahrgast. Also wurde ich gebeten etwas Geduld zu haben und neben dem Kleinbus zu warten. Währenddessen drehte der junge Mann, den ich anfangs für den Fahrer gehalten hatte, noch eine kleine Runde durch den Ort.

Um meine Geduld nicht zu sehr zu strapazieren und mich womöglich als Fahrgast zu verlieren, hat er nach seiner Rückkehr erst einmal mein Gepäck verladen. Aber auch das sollte nicht heißen, daß wir jetzt abfahren würden. Denn außer mir gab es erst einen weitere Mitfahrerin.

Pickup1 - São Filipe © Knut Hildebrandt

Bald gesellte sich eine zweite Frau mit ihrem Töchterchen zu uns. Während sie sich angeregt mit mit Ihrer Sitznachbarin unterhielt, begann letztere aufmerksam das Haar des schlafenden Mädchens zu durchkämmen. Was sie dabei suchte, konnte ich nicht erkennen. In Erinnerung an gewisse Untersuchungen in der Schule überkam mich aber eine gewisser Verdacht. War ich froh, mir erst vor zwei Tage den Kopf rasieren gelassen zu haben.

So langsam ging es auf Mittag zu und ich bekam Hunger. Also drehte ich auf der Suche nach etwas Eßbarem jetzt noch eine Runde über den Marktplatz. Als ich zum Bus zurück kehren wollte, kam mir dieser dann bereits entgegen. Froh darüber, daß es endlich los geht, sprang ich an Bord.

Kirche - São Filipe Kirche von São Filipe – © Knut Hildebrandt

Doch weit gefehlt. Von Abfahrt konnte keine Rede sein. Erst einmal mußten noch einige Runden durch São Filpe gedreht werden. Dabei wurde immer mal wieder ein kleines Schwätzchen mit den Leuten am Straßenrand gehalten. Und wie durch ein Wunder gesellten sich so nach und nach weitere Mitreisende zu uns.

Als der Kleinbus bis auf den letzten Platz belegt war, mußte noch tanken gefahren werden. Allerdings war der Sprit nicht für den Aluguer gedacht. Einer der Mitreisenden brauchte unbedingt noch fünf Liter Benzin, die direkt aus der Zapfsäule in eine alte Wasserflasche gefüllt wurden. Damit aber nicht genug. Plötzlich fiel einem anderen Fahrgast ein, daß er beim Einkaufen etwas vergessen hatte. Also ging es noch einmal zurück zum Marktplatz, das Fehlende besorgen.

Garage - São Filipe © Knut Hildebrandt

Doch dann war es endlich geschafft. Dreizehn Erwachsene, vier Kinder und jede Menge Gepäck hatten neben dem Fahrer in unserem Aluguer Platz gefunden. Bei uns wäre dieser wahrscheinlich für acht bis zehn Leute zugelassen worden. Aber hier schien das kein Problem zu sein. So kommt man sich eben näher. Und daß der Nachwuchs oder das halbe Gepäck auf dem Schoß reisen, ist auf den Kapverden wohl eher normal.

Ob es wirklich zulässig war den Aluguer so voll zu stopfen, wage ich zu bezweifeln. Denn am Ortsausgang wurde es plötzlich unruhig im Bus. Vier meiner Mitreisenden mußten aussteigen. Sie fuhren mit einem Taxi weiter, welches unser Fahrer bezahlte. Fünf Minuten später sammelten wir sie dann wieder ein. Hatten sich da etwa Polizisten am Straßenrand auf die Lauer gelegt?

Pickup2 - São Filipe © Knut Hildebrandt

Dann ging es endlich wirklich los. Anfangs holperten wir über eine alte Pflasterstraße durch grüne Obsthaine am Fuße des Vulkans. Später kämpfte sich unser Aluguer die langen Serpentinen der neuen Teerstraße den Berg hinauf. Als am Straßenrand ein Schild auftauchte, welches uns im „Parque Natural Pico de Fogo“ willkommen hieß, war ich meinem Ziel ganz nah. Von dort trennten uns nur noch wenige Minuten Fahrt durch bizarre Lavafelder vom Dorf.

Fliegen in Afrika – ein Abenteuer für sich

Es ist geschafft, ich bin auf Fogo angekommen. Aber fragt nicht wie. Obwohl es nur zwei kurze Flüge von Sal nach Fogo sind, war ich am Ende ziemlich geschafft. Auf dem Flughafen von Sal kam ich viel zu früh an; nicht nur die eineinhalb Stunden vor Abflug, die mir das Reisebüro empfohlen hatte, sondern sogar noch eine halbe Stunde eher. Als ich dann endlich das Büro der Charterlinie gefunden hatte, hieß es dort ich solle mich 45 Minuten vor Abflug noch mal melden. Aber zumindest gab es schon mal eine Art Bordkarte. Das stimmte hoffnungsvoll.

Bildstrecke Überfahrt Bildserie „Überfahrt nach Santo Antão“ – © Knut Hildebrandt

Pünktlich, wie ich nun mal bin, stand ich rechtzeitig wieder im Büro. Dort hieß es allerdings, ich müsse mich noch etwas gedulden. Man würde uns aufrufen, wenn es soweit ist. Uns bedeutete in diesem Falle einen kapverdischen Hauptmann und mich. Sollten wir denn die einzigen Fluggäste sein?

Waren wir natürlich nicht. Erst einmal tauchte eine Gruppe laut schnatternder Chinesen auf. Diese hatten offensichtlich beim Buchen nicht richtig zugehört. Denn anstatt sich bei der Fluggesellschaft zu melden stritten sie sich mit dem Sicherheitspersonal herum. Sie waren ja schon spät dran und wollten schnell zum Einchecken weiter. Erst nach längerer Diskussion und einigen Irritationen ließen sie sich davon überzeugen, vorher den Papierkram im Büro zu erledigen.

Bildstrecke Ponta do Sol Bildserie „Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Dann schien es endlich los zu gehen. Zumindest stand die nette Dame hinter ihrem Computer auf und spazierte mit uns im Gefolge in die Abfertigungshalle. Hier wurde ihr noch kurz erklärt, wie das Laufband funktioniert und dann ließ sie unser Gepäck nach und nach hinter einer kleinen Tür verschwinden.

Gut zehn Leute einzuchecken kann nicht ewig dauern. Also beschloß ich ganz ruhig zu bleiben und nicht ständig an die knappe Umsteigezeit in Praia zu denken. Aber offensichtlich schien noch jemand wichtiges zu fehlen. Denn unsere Begleiterin schaute mit nervösem Blick in Richtung Eingang der Abfertigungshalle. Dort tauchten dann nach einer Weile zwei ältere Herren auf. Als auch diese verarztet waren, hätte es meiner Meinung nach endlich losgehen können. Doch plötzlich war unser Hauptmann verschwunden. Während dieser wieder eingesammelt wurde, verschwand ich – nun schon reichlich nervös – noch einmal kurz um die Ecke.

Bildstrecke Hafen Bildserie „Im Hafen von Ponta do Sol“ – © Knut Hildebrandt

Als ich keine zwei Minuten später zurück kam, hatten alle bereits ihre Koffer in der Hand. Langsam marschierte der Trupp durch das, was eigentlich hätte die Sicherheitskontrolle sein müssen. Nur daß dort weder jemand saß, der den Check hätte machen können, noch die dazu nötige Maschinerie angeschaltet war. So gelangten wir völlig unkontrolliert in den letzten Warteraum und ich hoffte, daß es nun endlich an Bord geht. Aber weit gefehlt, denn der Flugkapitän fehlte noch. Dieser kam einige Minuten später in aller Ruhe um die Ecke geschlendert und spazierte wenige Meter vor uns über das Rollfeld der Maschine entgegen.

Ich bin nicht nur einmal in meinem Leben geflogen. Aber einer solchen Kaffemühle hatte ich mich dabei noch nie anvertraut. Achtzehn Plätze habe ich gezählt, gerade mal genug, um uns alle unterzubringen. Ich setzte mich ganz vorne hin, da ich von dort dem Piloten besser über die Schulter schauen konnte. Es gab nämlich keine eine Tür zwischen der Kanzel und den Fluggastraum. Das schaffte genauso Vertrauen, wie der Umstand, daß dem Piloten erst einmal eine Sonnenblende abbrach, als er sie einstellen wollte.

Bildstrecke Pico do Fogo Bildserie „Pico do Fogo“ – © Knut Hildebrandt

Nachdem dann endlich alle Türen geschlossen waren, warf der Kapitän die Motoren an, schloß das Fenster, aus dem er bis dahin noch lässig den Arm hatte hängen lassen und brachte die Propeller auf Touren. Dann ging es los und wenige Minuten später schwebten wir über dem Ozean. So richtig genießen konnte ich den Flug leider nicht. Irgendwie wollte mir mein knapper Anschluß in Praia nicht aus dem Kopf gehen. Blöd eigentlich, denn ändern konnte ich ja doch nichts.

Als wir in Praia ankamen, wollte ich mein Gepäck sofort am Flugzeug in Empfang nehmen. Schließlich hatten in der Maschine weniger Passagiere gesessen als in einem üblichen Reisebus. Und bei dem ist das ja auch kein Problem. Anders auf dem Flughafen von Praia. Selbst als ich erklärte, daß ich unbedingt den Flug nach Fogo schaffen müsse, hieß es dort, daß dies nicht möglich sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, versuchte mich die nette Dame von der Fluggesellschaft zu beruhigen. Das Boarding der Maschine nach Fogo hatte noch nicht begonnen. Dase klang ungemein beruhigend.

Bildstrecke Vulkanbesteigung Bildserie „Vulkanbesteigung“ – © Knut Hildebrandt

Um nicht weiter sinnlos Zeit zu verlieren, ließ ich Rucksack erst einmal Rucksack sein und flitzte los, das Büro der TACV zu suchen. Als ich dort erklärte, ich hätte ein Ticket für den nächsten Flug nach Fogo, schaute man mich nur mit großen Augen an. Der Flug sei bereits geschlossen, meinte die Frau hinter dem Schalter. Aber schließlich waren wir in Afrika und das Motto auf den Kapverden ist „No Stress“. Also nahm sie meine Buchungsbestätigung entgegen und stellte mir in aller Seelenruhe eine Bordkarte aus. Währenddessen rannte ichnschnell noch mal los, um meinen Rucksack einzusammeln.

Am Ende wurde ich für das ganze Theater ausreichend entschädigt. Im Reiseführer hieß es nämlich, man müsse beim Anflug auf Fogo wegen des beeindruckenden Blicks auf den Vulkan auf der rechten Seite der Maschine sitzen. Bei all dem Streß hatte ich natürlich keinen Nerv dafür gehabt, mich auch noch darum zu kümmern. Nun hielt ich eine Bordkarte für den Sitz 3D in der Hand; kurz hinter der Kanzel, am rechten Fenster. Besser konnte ich kaum sitzen. Denn so weit vorne versperren nicht einmal die Tragflächen den Blick auf den Vulkan. Nur hätte ich diesen noch mehr genießen können, wenn öfter mal die Fenster geputzt werden würden.