Bildserie Portland – © Knut Hildebrandt
Seit zwei Tagen bin ich in Portland. Der Trip hierher war in zweierlei Hinsicht ein Novum. Ich bin nicht, wie üblich, mit dem Bus gefahren, sondern habe mir über craigslist.com eine Mitfahrgelegenheit gesucht. Und hier in Portland habe ich meine ersten Übernachtungen als Couchsurfer. Beides ließ sich allerdings etwas schwierig an. Nachdem Bill, mein Gastgeber, recht schnell auf meine Anfrage reagiert und zugesagt hattet, hörte ich bis zur Abfahrt aus Seattle nichts mehr von ihm. Ich hatte weder eine Telefonnummer noch kannte ich seine Adresse. Diese erfuhr ich erst, als ich auf der Fahrt nach Portland noch einmal meine Mail checkte. Aber auch die Fahrt selbst wäre fast nicht zustande gekommen. Ich war schon am Losgehen, als eine knappe halbe Stunde nach dem verabredeten Zeitpunkt Zach auftauchte. Auch von ihm hatte ich nichts außer einer Mailadresse, sodaß ich nicht einmal anrufen konnte, um nachzufragen, ob und wann er auftauchen würde.
Trotz der Anlaufschwierigkeiten war sowohl die Fahrt mit Zach, als auch der der Aufenthalt bei Bill großartig. Zach arbeitet in der Musikbranche und Bill hat in den Achtzigern die Musikszene in London und Berlin erkundet. Mit beiden gab es jede Menge zu erzählen. Mit Bill habe ich einen Abend noch alte Musikvideos aus den Achtzigern und Neunzigern gesehen. Er hat mir seine Favoriten gezeigt und ich ihm meine.
Bildserie Alberta Street – © Knut Hildebrandt
Nur gut zwanzig Blocks nördlich von Bills Haus befindet sich Alberta Street. Umgeben von einem Meer an farbenfrohen Holzhäusern, die meisten Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut, zieht sie sich über fünfzig Blocks von Ost nach West. Am westlichen Ende unterscheidet sich Alberta Street kaum von den sie umgebenen Wohngebieten. Abgesehen vom etwas höheren Verkehrsaufkommen fielen mir nur die kleine Pumpstation der Gaswerke, eine Schule und eine Kirche auf.
Ein ganz anderes Bild bietet sich allerdings auf den letzten gut zwanzig Blocks. Hier findet der Besucher eine bunte Mischung an Boutiquen, Galerien, Geschäften und Restaurants. Es gibt etwas für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel. Nur wenige Türen vom Öko-Supermarkt hat ein mexikanischer Tante-Emma-Laden bis spät in die Nacht geöffnete. Gleich neben einem noblen Restaurant kann man sich in einem kleinen Coffeeshop bei cooler Musik durch die umfangreiche Kaffeeauswahl probieren oder zur Happyhour schon mal den Abend mit einem ersten Bier einläuten.
Bildserie North East Portland – © Knut Hildebrandt
Bereits als wir von Seattle kommend in die Stadt fuhren fiel mir die Straße auf. Nicht nur daß hier viel mehr und vor allem junge Leute unterwegs waren. Auch gab es jede Menge Graffiti. Die Fassaden einiger Häuser sahen aus wie riesige Wandbilder. Natürlich mußte ich diese Gegend genauer erkunden. Als ich das kurz nach meiner Ankunft Bill gegenüber erwähnte, war sofort entschieden, daß wir noch mal los ziehen, Alberta Street einen abendlichen Besuch abstatten.
Nach knapp zwanzig Minuten Fußmarsch waren wir endlich da. Da Bill den ganzen Tag im Keller eines Freundes mit Bier brauen verbracht hatte, war er recht hungrig. Deshalb schlug er vor, erst einmal an einem der Foodcarts einen Snack zu sich zu nehmen. Foodcarts findet man an fast jeder Straßenecke in Portland. Es sind fahrbare Imbisse, an denen es gut und günstig zu essen gibt.
Bildserie Willamette River – © Knut Hildebrandt
Nachdem der größte Hunger mit ein paar Empanadas gestillt worden war, wollte Bill unbedingt zu einen Eisladen mit dem interessanten Namen „Salt & Straw“. Daß dieser etwas besonderes ist, ließ schon die lange Schlange davor vermuten. Wir brauchten mehr als eine viertel Stunde, bevor endlich die Reihe an uns war. Das lag vor allem daran, weil niemand einfach nur ein Eis bestellte. Die Leute hinter der Theke reichten jedem Kunden erst einmal kleine Löffel mit Samples so ausgefallener Eissorten wie „Pfeffer-Marmelade“, „Geröstete Feige“ oder „Apple Pie“. Erst wer das alles gekostet hatte, konnte entscheiden was das Herz wirklich begehrt.
Während wir noch geduldig darauf warteten uns auch durch das exotische Angebot probieren zu dürfen, fiel mir ein Laden auf der anderen Straßenseite auf. Aus diesem dröhnte laute Musik. Davor standen dutzende Leute im schwarzen Klamotten und unterhielten sich bei einer Kippe. Mich interessierte allerdings eher, was drinnen abging. Also schob ich mich am Türsteher vorbei in das Innere des Klubs.
Bildserie Downtown – © Knut Hildebrandt
Der Laden hätte auch gut irgendwo in Berlin sein können. Er erinnerte ein wenig an ehemalige Besetzerkneipen. Es war dunkel drinnen und alles sah etwas abgenutzt aber gemütlich aus. Einzig die riesigen Monitore über der Bar paßten nicht so ganz ins Bild.
Durch einen Vorhang von der eigentlichen Kneipe abgetrennt gab es einen zweiten Raum. Aus diesem ertönte ohrenbetäubender Lärm. Eine Hardcoreband tobte sich gerade aus. Als ich den Einlasser fragte, wer noch so spielen würde, meinte er, daß es so ähnlich weiter ginge. Das war leider nicht so ganz nach meinem Geschmack. Doch zum Glück sollte es am nächsten Abend wieder ein Konzert geben. Dann würden vier Punkbands auftreten.
Bildserie Burnside Skate Park – © Knut Hildebrandt
Also machten wir uns auch am folgenden Abend auf den Weg zum „The Know“ in der Alberta Street. Als wir dort gegen halb zehn aufschlugen war gerade die dritte Band dabei auf die Bühne zu steigen. Und sofort ging es ab. Allerdings nur dort oben. Denn das Publikum stand wie angewurzelt herum, nippte am Bier und schwätzte ein wenig. Niemand außer mir wollte sich so recht bewegen. Und somit durfte ich ganz alleine zwischen den viele hippen, jungen Menschen herum pogen. Offensichtlich schien die letzte Band dann Mitleid mit mir zu haben. Den die Sängerin und ihr Kompagnon kamen von der Bühne und sprangen ebenfalls, wild schreiend, durch die lahme Menge.