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Nebaj – Tor zum Ixile-Dreieck

Nebaj ist ein kleines quirliges Marktstädtchen im Departement Quiché. Die Stadt an sich hat wenig Aufregendes zu bieten. Ein Spaziergang über den Markt oder der Besuch der Kirche, das ist es was Reisende hierher locken könnte. Recht wenig für den weiten Weg in diese abgelegene Gegend. Zu wenig, läge Nebaj nicht inmitten der aufregenden Bergwelt des Chuchamatan Gebirges und am Rande des Ixile-Dreiecks.

Nebel über Tal © Knut Hildebrandt

Die Stadt ist der perfekte Ausgangspunkt für die Erkundung der umliegenden Ixile-Dörfer. Die Ixiles sind eine der kleinsten Maya-Gruppen Guatemalas. In ihren abgeschiedenen Dörfern haben sie eine traditionelle Lebensweise in weitgehendem Einklang mit der Natur bewahrt. Über die Grenzen des Landes hinaus bekannt wurden die Ixiles wegen ihrer ausgefallenen Webtechnik. Nach alten Vorlagen stellen sie in Handarbeit Huipiles, farbenfrohen Umhänge, her.

Der beste Weg mehr über die Kultur der Ixiles zu erfahren, ist eine Wanderung durch die Berge um Nebaj. Nur so lassen sich einige der abgelegeneren Dörfer erreichen. Und ganz nebenbei wird man eine der beeindruckendsten Landschaften Guatemalas entdecken.

Wanderung © Knut Hildebrandt

Mit Guías Ixiles gibt es in Nebaj einen idealen Partner solche Entdeckungsreisen zu organisieren. Denn Guías Ixiles ist nicht nur ökologisch orientierter Reiseveranstalter. Sie sind auch Teil eines Netzwerkes, welches es den Menschen in den Dörfern ermöglicht, langfristig ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Nicola Nicola – © Knut Hildebrandt
Das zwei Blocks von der Plaza entfernte Reisebüro erinnert an einen Haushaltswarenladen. In einer großen Glasvitrine wird eine Kollektion Brillen zur Schau gestellt. Obenauf steht ein riesiger Wasserfilter. Die Schautafel hinter der Vitrine erklärt den Bau energieeffizienter Herde. “Alles Dinge die das Leben in den Dörfern verbessern helfen“, bemerkt die junge Frau hinter dem Schreibtisch und steht auf.

„Nila“, stellt sie sich vor. Dann erläutert sie mir die Tourangebote der Bergführer. Schon nach wenigen Sätzen ist mir klar: die zwei Tage dauernde Wanderung zu den entlegensten Dörfern der Region möchte ich machen. Und gleich am nächsten Morgen soll es losgehen. Früh um acht werde ich Nicola, meinen Guide, hier im Büro treffen.

Die erste Etappe unserer Wanderung führt um drei Straßenecken zu einem kleinen Busbahnhof. Noch nicht einmal richtig angekommen, sitzen wir schon in einem Kleinbus. Eigentlich könnte es jetzt losgehen. Doch wie sagte Nila: „Die Busfahrt ist Teil des Abenteuers.“ Und ich solle mich darauf einlassen. Das hieß erst einmal: Warten. Nicht bevor der letzte Sitzplatz belegt ist fährt der Bus ab. Laut hupend drehen wir dann noch eine Runde durch den Ort und sammeln weitere Fahrgäste ein.

Maya-Frauen © Knut Hildebrandt

Eine gute Stunde später haben wir die Hektik der Stadt weit hinter uns gelassen. Im Schatten riesiger Bäume schreiten wir auf einem schmalen Pfad über einen Teppich brauner Nadeln. Der intensive Duft von Tannenzapfen liegt in der Luft. Langsam schrauben wir uns in endlosen Serpentinen in ein kühles Tal hinab.

Plötzlich sind eilige Schritte und Gekicher hinter uns zu hören. Leichtfüßig überholen uns drei junge Frauen, kleine Kinder im Tragetuch auf den Rücken gebunden. Gut zwanzig Minuten später treffen wir sie wieder. Herzlich lachend sitzen sie am Wegesrand und machen Pause. Auch wir halten Rast im Tal. Ein klarer Fluss lädt hier zum Ausruhen und einem erfrischenden Bad ein.

Der Xel Der Xel – © Knut Hildebrandt

Dann beginnt der lange Anstieg nach Vilcama, welcher nur von einer kurzen Mittagspause unterbrochen wird. In Xeo kehren wir in eine kleine Gaststube ein. Die grob gezimmerte Holzhütte mit dem gestampften Lehmboden dient gleichzeitig als Krämerladen, Wohn- und Schlafzimmer. Über dem Esstisch hängt ein Regalbrett mit den zum Verkauf angebotenen Waren. In den Ecken des engen Raumes stehen Bett, Kleiderschrank und eine kleine Kommode. Und auf letzterer thront majestätisch einer der Wasserfilter aus dem Reisebüro.

gute Stube in Vicalama
Vicalama erreichen wir am frühen Abend. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ziehen wir durch seine menschenleeren Straßen. Neben dem Schulhaus erinnern die Reste einer Bombe an die Schrecken des Bürgerkrieges. Heute dient sie dem Dorf als Kirchenglocke.

Die Nacht verbringen wir in einem der wohlhabenderen Häuser des Ortes. Seine fensterlose Wohnstube wird von einer nackten Energiesparlampe erhellt. Aus der Ecke plärrt uns ein Fernseher entgegen. Daneben blinkt eine billige Stereoanlage. Alles Luxusartikel in dieser Gegend, in der viele Häuser noch nicht einmal einen Stromanschluss haben.

In der guten Stube – © Knut
Hildebrandt

Die Hausfrau begrüßt uns mit Kaffee ganz besonderer Art. Er ist mit nur wenigen Krümeln Kaffeepulver, dafür aber umso mehr Zucker und einer guten Priese Chile gemacht. Das Gebräu ist sehr süß, äußerst scharf und wärmt gut durch. Und das ist gut so. Schon bald wird es empfindlich kalt. Denn auch dieses Haus hat keine Heizung.

Kurz nach dem Abendessen verschwinden wir in den Betten und noch vor acht Uhr wird das Licht ausgemacht. Am Morgen bin ich früh wach. Lange vor Sonnenaufgang krähen die Hähne. Wenig später fallen die Dorfköter in das Konzert ein. An schlafen ist nicht mehr zu denken. Kurz vor sechs sind wir auf den Beinen und brechen mit den ersten Sonnenstrahlen auf.

Nebel steigt auf © Knut Hildebrandt

Mit jedem Schritt den wir uns von Vicalama entfernen schiebt sich die Sonne ein Stück weiter über die Bergkette im Osten. Langsam treibt sie den Nebel aus dem Tal zu unseren Füßen. Ich halte kurz an, um das Naturschauspiel zu genießen. Dabei tief die frische Morgenluft einatmend,freue ich mich auf einen weiteren Tag im Chuchamatan Gebirge.

Zurück ins verlorene Paradies

Am Straßenrand liegen drei große gelbe Steine. Dort müsse ich aussteigen, hieß es in der Wegbeschreibung. Der Fahrer des Busses weiß sofort Bescheid, als ich ihm den Flyer in die Hand drücke. „Ach, zu Andrews Wolkenschloss möchtest Du,“ meint er und tritt kurz auf die Bremse. Sekunden später stehe ich neben einem großen Schild, welches das verlorene Paradies verspricht. Hier irgendwo soll also das „Lost and Found Eco Hostel“ zu finden sein. Mitten in der Wildnis. Nicht weit entfernt von der einzigen Straße, welche im Norden Panamas den Pazifik mit der Karabikküste verbindet.

Blick von Aussichtspunkt Blick von Aussichtspunkt über Chirique – © Knut Hildebrandt

Wenn ich der Webseite des Hostels Glauben schenken darf, sind es nur noch wenige Minuten Fußmarsch. Aber wo ist der Weg, von dem die Rede war? Die meinten doch nicht etwa den schmalen Trampelpfad durch die Kaffeeplantage vor mir? Ich schultere mein Gepäck und stapfe diesem folgend den steilen Berg hinauf. Eine viertel Stunde später stehe ich völlig durchnässt inmitten des Dschungels auf einer weitläufigen, überdachten Terrasse. „Warum hast Du nicht angerufen,“ fragt Luz. „Wir hätten Dir geholfen mit dem vielen Gepäck,“ sagt sie lächelnd und reicht mir einen heißen Kaffee.

Luz kocht für die Gäste des „Lost and Found“. Sie hält die Zimmer in Schuss und macht auch mal Reservierungen klar, wenn Andrew nicht da ist. Die angehende Studentin arbeitet gerne im Hostel des jungen Kanadiers. Ruhig ginge es hier oben zu, sagt Luz. „Und ich kann mein Englisch ein wenig aufbessern,“ fügt sie hinzu.

Lost and Found Das Lost and Found im Dschungel – © Knut Hildebrandt

Seit frühester Kindheit interessiert sich Andrew für Tiere. Als er vor einigen Jahren zur Vogelbeobachtung nach Panama kam, verliebte er sich nicht nur in das Land sondern auch in seine Frau Stephany. Was lag da näher, als der kalten Heimat den Rücken zu kehren und in Panama ein neues Leben zu beginnen? Mit seinem Partner Patrick gründete Andrew das „Lost and Found Hostel“. Gemeinsam bauten sie Beobachtungsplatformen in den Regenwald und trotzten diesem auch den Platz für Schlafsäle und einen Gemeinschaftsraum mit Videothek und Billardtisch ab. „Jeden Sack Zement, jeden Stahlträger mussten wir auf unseren Schultern den Berg hinauf schleppen,“ beschreibt Andrew die schwierigen Anfänge ihres Öko-Projektes. Jetzt wendet er sich wieder seinen ursprüngliche Interessen zu. Andrew organisiert Touren für die Gäste des Hostels und zeigt ihnen die Naturwunder Panamas.

Fluß im Dschungel Fluß im Dschungel – © Knut Hildebrandt
Mit von Anfang an dabei war Gabriel. Der gut dreißigjährige Panamese ist heute für den reibungslosen Betrieb des Hostels zuständig. Er sorgt dafür, dass es in der Dusche immer warmes Wasser gibt und im Kühlschrank nie das Bier ausgeht. Mehrmals am Tag steigt er den schmalen Pfad zur Straße hinab, um Nachschub zu organisieren; leere Gasflaschen zu tauschen und neuen Proviant zu besorgen. In letzter Zeit gehört der Ausbau der Wanderwege zu Gabriels wichtigsten Aufgaben. Zusammen mit Andrew hat er bereits mehrere Kilometer Fußweg angelegt. Auf diesen erreicht man nicht nur einen Aussichtspunkt, von dem der Blick bis fast zur Pazifikküste reicht. Eine knappe Stunde später stößt der Pfad auf einen kleinen Fluß, dessen eiskaltes Wasser zum erfrischenden Bad einlädt.

Das beste am „Lost and Found“ aber ist: um all die Schönheit der Natur zu erleben muss der Gast das Hostel nicht einmal verlassen. Man ist hier mitten drin im Nebelwald. Der Dschungel und seine Bewohner sind zum Greifen nah.

Als der Regen wieder einmal leise auf das Blechdach trommelt, lasse ich mich im Sessel auf der Aussichtsplattform nieder. Von hier könnte ich bei klarem Wetter sogar den Barú, Panamas höchsten Vulkan, erspähen. Doch heute sehe ich nur dichte Nebelschwaden durch die Baumwipfel ziehen. Hoch oben hangelt sich eine Horde Affen von Ast zu Ast. Ein grünlich schimmernder Kolibri kommt hektisch mit den Flügel schlagend vorbei geschwirrt. Kurz nascht er von den dunkelroten Blüten am Rande der Terrasse. Dann fliegt er weiter. Aufmerksam suche ich die Bäume ab. Vielleicht bekomme ich das von Gabriel erwähnte Faultier zu Gesicht. Aber soviel Glück ist mir dann doch nicht beschieden.

Am Abend – es ist schon eine Weile dunkel – kommt Andrew noch einmal vorbei. Er holt Bananen aus dem Kühlschrank, schneidet diese klein und verteilt sie auf der Plattform. Kurze Zeit später raschelt es im Unterholz. Ein putziges Kerlchen mit spitzer Nase springt zu uns auf die Terrasse und fällt über die Bananenscheiben her. „Das ist ein Cacomistle,“ meint Andrew. „Sicher kommt gleich der Olingo noch vorbei,“ fügt er hinzu. Dieser lässt nicht lange auf sich warten. Auch er möchte am Festschmaus teilhaben, was dem Cacomistle überhaupt nicht gefällt. Sofort setzt ein großes Gezeter ein und die beiden streiten heftig um die restlichen Bananenstücken.
Andrew

Andrew mit Kinkajou – © Knut Hildebrandt

Andrew nutzt das Durcheinander, um kurz zu verschwinden. Wenige Augenblicke später kehrt er mit einem Fellbündel im Arm zurück. Wie die beiden Streithähne gehört auch sein Kinkajou zu den im Regenwald lebenden Kleinbären. Das nachtaktive Tier ist kaum zu bändigen. Ständig versucht es Andrew zu entwischen. „Ich kann ihn leider nicht frei lassen,“ sagt der Tierfreund. „Das wäre sein sicheres Ende,“ erklärt er weiter. Denn den Kinkajou hat Andrew vor einigen Jahren aus einem Schuhkarton befreit. In diesem wurde er groß gezogen und als Maskottchen gehalten. Jetzt lebt das Tier in einem geräumigen Käfig nur wenige Meter entfernt von der Herberge.

Nachdem die Raubtierfütterung beendet ist, kehrt Ruhe im Hostel ein. Andrew geht nach einen langen, anstrengenden Tag heute früh schlafen. Auch die anderen Gäste ziehen sich bald auf ihre Zimmer zurück. Ich nutze die stille Nacht, um noch ein wenig zu arbeiten. Während ich Bilder vom Ausflug in den Nebelwald sortiere, kommt eine Gottesanbeterin angeschwebt. Sie nimmt Platz auf meinem Laptop und beginnt sich anmutig zu putzen. Erst als ich, jetzt auch müde geworden, den Bildschirm zuklappe, verschwindet auch sie wieder im feuchten Blättergewirr.

Dem Himmel ein Stück näher

Langsam quält sich der Bus den Berg hinauf. Von Zeit zu Zeit höre ich das Knirschen des Getriebes und spüre ein Zittern das altersschwache Gefährt erfassen. Sekunden später heult der Motor auf und wir schleichen um die nächste Kurve, weiter dem Gipfel entgegen.

Izalco Der Izalco am Morgen – © Knut Hildebrandt

Wenig später schiessen wir über den schmalen Grat eines riesigen Kraters. Der Ausblick von hier oben ist atemberaubend. Zur linken erstreckt sich eine weite Ebene. Zur rechten fällt der Krater steil zum Lago de Coatepeque ab. Die tief stehende Morgensonne spiegelt sich golden im blauen Wasser des Sees. Kleine Boote ziehen ihre Kreise über seine von Wellen gekräuselten Oberfläche.

Mein Ausflug soll mich jedoch nicht an die Ufer des Lago de Coatepeque führen. Sein Ziel ist der Parque Nacional Cerro Verde auf der anderen Seite des riesigen Kratersees. Majestätisch thront dort der erloschene Vulkan gleichen Namens über dem Lago de Coatepeque.

Das Herzstück des Parks ist der tropische Nebelwald, welcher den Cerro Verde bedeckt. Lehrpfade und Wanderwege laden dazu ein, diesen zu erkunden. In einem Orchideengarten kann man mehr über die in ihm heimischen Flora erfahren. Die grosse Attraktion des Parks sind jedoch die Vulkane Izalco und Santa Ana. Beide können in einem Tag vom Parque Cerro Verde aus besteigen werden.

Lavafeld Lavafeld am Fuß des Izalco – © Knut Hildebrandt

Gegen zehn hält der Bus auf dem Parkplatz am Besucherzentrum. Nachdem ich dort den Eintritt von knapp 3 Dollar bezahlt habe, erklimme ich erst einmal eine Aussichtsplattform. Von dieser bietet sich mir ein einmaliger Blick auf die beiden Vulkane. Direkt zu meinen Füssen liegt der Izalco. Zum Greifen nah ragt sein perfekt geformter Kegel aus der Ebene. Der Gipfel des Vulkans befindet sich etwas unterhalb des Cerro Verde, sodass ich fast in den Krater hinein schauen kann.

Der Izalco ist der jüngste Vulkan El Salvadors und einer der jüngsten in Zentralamerika. Mitte des achtzehnten Jahrhunderts begann Lava aus der südlichen Flanke des Santa Ana zu treten. Fast zweihundert Jahre lang folgten regelmässig Eruptionen, welche nach und nach aus Geröll und Asche den Izalco formten. In den sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts brach der Vulkan ein letztes Mal aus. Seitdem nimmt seine Aktivität stetig ab.

Der Santa Ana zu meiner Rechten ähnelt einem gewöhnlichen Berg. Wie ein grosser, grüner Buckel erheben sich seine dicht bewaldeten Flanken neben dem Izalco. Im Gegensatz zu diesem soll es aber im Krater des vor fünf Jahren letztmalig ausgebrochenen Santa Ana auch heute auch noch mächtig brodeln und kochen. Bei zwei so spannenden Alternativen wird mir die Entscheidung nicht leicht fallen, welchen Vulkan ich besteigen möchte.

Aufstieg Aufstieg zum Krater – © Knut Hildebrandt

Das Ziel der Wanderung hängt allerdings nicht allein von meinen Wünschen ab. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Überfällen auf dem Weg zu den Vulkanen. Deshalb dürfen nur noch geführte Touren in Begleitung von Beamten der Touristenpolizei zu ihnen unternommen werden. Wer einen der Vulkane besteigen möchte, muss dies zuvor bei der Parkverwaltung anmelden. Wenn es mindestens drei Interessenten gibt, wird von dieser eine Gruppe zusammengestellt. Die Wanderer entscheiden dann gemeinsam, wohin die Reise gehen soll.

Am Ende werde ich gar nicht gefragt, welchen Vulkan ich lieber erklimmen würde. In dem Durcheinander vor dem Abmarsch geht die Abstimmung unter. Einer der uns begleitenden Polizisten hat kurzer Hand entschieden, dass wir den Izalco besteigen werden. Mir soll es recht sein. Spannender sah dieser ja sowieso aus. Und so brechen wir kurz nach elf ohne grosse Diskussionen zu unserem Trek auf.

Bevor wir den Anstieg zum Gipfel des Izalco antreten können, heisst es vom Cerro Verde absteigen. Und das erinnert an eine entspannte Wanderung durch heimische Gefilde. Ein gut ausgebauter Wanderweg schlängelt sich durch dichten Mischwald. An etwas schwierigen Stellen bietet ein Geländer sicheren Halt. So hatte ich mir Trekking in El Salvador nicht vorgestellt. Einzig der Anblick eines Gürteltier am Wegesrand erinnert daran, das ich mich wirklich in Mittelamerika befinde.

Krater Im Krater – © Knut Hildebrandt

Am Fusse des Berges abrupter Szenenwechsel. Als wir aus dem Wald treten, begrüsst uns eine Mondlandschaft. Zwischen Waldrand und Vulkan erstreckt sich ein ausgedehntes Lavafeld. Ein schmaler Pfad ist zwischen den bizarren Zacken des erstarrten Vulkangesteins zu erkennen. In langen Serpentinen schlängelt sich dieser weiter die grauen Hänge des Izalco hinauf. Auf diesem Pfad stapften wir dem Krater entgegen.

Eine knappe Stunde später, stehe ich auf dem Gipfel des Izalco. Der Ausblick ist phantastisch. Direkt gegenüber ragt hoch über uns der Santa Ana in den blauen Himmel. Langsam schieben sich Wolken seine Hänge hinauf. Binnen kürzester Zeit verschwindet der Berg vollständig hinter einer Nebelwand.

Der Krater des Izalco hat auf den ersten Blick wenig Aufregendes zu bieten. Jeder noch so kleine Felsen wurde von unseren Vorgängern mit Initialen verziert. Lava spucken oder nach Schwefel stinkenden Rauch ausstossen möchte der Vulkan auch nicht. Lediglich heisser Wasserdampf tritt aus einigen Felsspalten. Aber allein das ist schon ein beeindruckendes Naturschauspiel.

Abstieg Abstieg vom Krater – © Knut Hildebrandt

Nachdem ich den Krater einmal umrundet habe, müssen wir auch schon den Rückweg antreten. Gegen drei verlässt nämlich der letzte Bus den Park. Das könnte fast knapp werden. Doch meine Sorge ist unbegründet. Denn der Abstieg vom Izalco gleicht Abfahrtsski durch Vulkanasche. Mehr schlitternd als laufend schießen wir, umhüllt von einer riesigen Staubwolke, in Rekordzeit den Hang hinab.

Nur eine gemütliche Wanderung

Eigentlich sollte es eine kleine, gemütliche Wanderung werden. Ansonsten hätte sich Renate wohl auch nicht entschieden, mitzukommen. Sie hatte ja schon zwei längere Touren mit mir absolviert und sprach stets davon, daß sie mal einen Tag aussetzen müsse.

Bildstrecke Rundwanderung Bildserie „Rundwanderung“ – © Knut Hildebrandt

Unser Plan war von Coculi in Richtung Chã das Pedras zu laufen und dann in das Tal von Figueral hinüber zu wechseln, um dort den Rückweg nach Coculi anzutreten. Der nette Typ in meinem Hotel hatte beide Täler als wunderschön grün beschrieben. Er sagte auch, die Wanderung sei ohne Probleme in drei Stunden zu absolvieren, da sie vorwiegend über Straßen führe.

Also haben wir uns Zeit gelassen, gemütlich gefrühstückt und sind erst nach acht aus Ponta do Sol abgefahren. In Ribeira Grande ging es nach der üblichen Diskussion – der erste Fahrer wollte uns partout den Trip nach Coculi zum Taxipreis von 400 statt 50 p.P. verkaufen – ziemlich zügig weiter. Unser Chauffeur setzte uns sogar am richtigen Abzweig kurz hinter Coculi ab. So konnten wir das Seitental von Chã das Pedras nicht verpassen. Allerdings war uns nicht richtig klar, wann wir von ihm in das Tal von Figueiral hinüber wechseln mußten. Sicher war nur, daß wenn wir das Ende der Straße in Pia de Cima erreicht haben, zu weit gelaufen sein werden.

Und wie sollte es auch anders sein, im Handumdrehen war wir in Pia. Hier gab es eine kurze Diskussion, wie wir wohl weiter laufen wollen. Renate schlug dann vor, ich solle doch die Wanderung nach Lin‘ d‘ Corv und zurück über João Afonso nach Coculi machen. Beiden Routen wurden als sehr schön, aber auch anspruchsvoll beschrieben. Ein Blick in den Wanderführer zeigte, daß mir wohl sieben Stunden Weg bevor standen. Da es aber erst elf war, startete ich einfach durch.

Bildstrecke Corva-Krater Bildserie „Corva-Krater“ – © Knut Hildebrandt

Anfangs ließ sich der Weg ziemlich gut zu finden. Er war einfach die Fortsetzung der Straße, die nach Pia de Cima geführt hatte. Zu großen Teilen war er auch gepflastert, sodaß ich gut voran kam. Nach etwas weniger als der in Renates Wanderführer angegebenen Zeit hatte ich das erste Etappenziel erreicht, einen kleinen Sattel auf dem ein einzelnes Haus stand. Eigentlich war klar, wie es von hier weiter geht, trotzdem fragte ich den Mann, der mir entgegen kam nach dem Weg. Wortreich bestätigte er, was ich vermutet hatte und schenkte mir zum Abschied zwei Apfelsinen.

War der Anstieg zum auf gut achthundert Meter gelegenen Sattel schon anstrengen, so hatte es der nun folgende richtig in sich. Weitere 300 Meter hieß es zu nehmen, um das Ziel der nächsten Etappe zu erreichen. In nicht enden wollenden Serpentinen zog sich ein schmaler Pfad den steil ansteigenden Kamm hinauf.

Kurz vor mir machte sich eine junge Frau mit ihrem etwa fünf Jahre altem Sohn auf den beschwerlichen Weg. Erstaunlicher Weise wollte es mir nicht leicht fallen, die beiden einzuholen. Und das, obwohl die Frau neben einem schweren Rucksack noch eine Einkauftüte in der Hand den Berg hinauf schleppte. Selbst dem Kleinen schien die Kletterei wenig auszumachen.

Bildstrecke Ribeira de Torre Bildserie „Ribeira de Torre“ – © Knut Hildebrandt

Endlich oben angekommen wollte ich mich erst einmal niederlassen und die weitere Route studieren. Laut Wanderführer sollte hier nämlich die erste knifflige Stelle kommen. Doch bevor ich überhaupt das Buch aufschlagen konnte, wurde mir von meiner Begleiterin schon der Weg gezeigt.

Danach wurde es dann allerdings kompliziert. Aufgrund einer nicht ganz eindeutigen Formulierung habe ich einen im Wanderführer beschriebenen Abzweig verpaßt. Das war eigentlich kein großes Problem. Denn schon bald traf ich Leute die sagten, ich würde auch auf dem eingeschlagenen Weg nach Lin‘ d‘ Corv kommen. Einziger Nachteil: dieser war erheblich länger, als der vorgeschlagene.

In Lin‘ d‘ Corv kam ich nach mehr als drei Stunden Fußmarsch, und eine knappe Stunde später als geplant, an. Da es aber erst halb drei war, entschloß ich mich trotz der Verspätung den Abstieg über João Afonso zu wagen. Ob ich nämlich an einem Samstag Nachmittag einen Aluguer zurück nach Ribeira Grande finden würde, wagte ich zu bezweifeln. Und ein Taxi hätte sicherlich gleich mehrere Tausender gekostet.

Bildstrecke Küstenweg Bildserie „Küstenweg“ – © Knut Hildebrandt

Also fragte ich gleich bei Ankunft im Dorf nach dem Weg Richtung Coculi. Ein netter Mann zeigte mir nicht nur den Paß bei Lombo de Pedra, den ich zu überqueren hatte. Er brachte mich dann auch noch bis zum richtigen Abzweig, damit ich diesen auch gar nicht verpasse.

Von da an war der Weg einfach zu finden. Ich hätte den Wanderführer gar nicht mehr gebraucht. Denn immer wenn ich ihn um etwas nachzuschlagen aus der Tasche zog, war schon jemand zur Stelle und zeigte mir den richtigen Weg. Einzig in Boa Ventura hätte ich eine kürzere Route wählen können. Ich wäre dann wieder in das Tal von Chã das Pedras hinab gestiegen und auf der staubigen Straße zurück nach Coculi gelaufen. Anfangs hatte ich mich ein wenig über den Umweg geärgert, doch am Ende war ich aber froh, ihn gemacht zu haben. So konnte ich nämlich noch den zweiten Teil unserer ursprünglichen Route absolvieren und wußte dann auch, wo wir hätten abzweigen müssen.